Das Versprechen des Aufstiegs

MIGRANTEN Sawsan Chebli ist die erste Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten des Berliner Innensenators Körting (SPD). Ihr Weg dorthin war steinig

„Dialog ist unser wichtigstes Instrument!“

SAWSAN CHEBLI, BERLINS GRUNDSATZREFERENTIN FÜR INTERKULTURELLE ANGELEGENHEITEN

VON ALKE WIERTH

„Gedruckt in B-E-I-R-U-T“: Mühsam, doch unter beeindrucktem Staunen seiner Gastgeber entziffert Ehrhart Körting bei einem Besuch in Berlins erster Imam-Schule das Impressum eines arabischsprachigen Lehrbuchs. Zwei Semester Arabisch habe er während seines Jurastudiums belegt, erzählt der Berliner Innensenator. Weil der Sozialdemokrat weiß, dass das in einer Einwanderungsstadt noch kein ausreichendes Maß an interkultureller Kompetenz darstellt, hat er in seiner Behörde einen neuen, hochrangigen Posten geschaffen – und mit einer Person besetzt, die seither – nicht nur bei Berliner Migrantenorganisationen – für Aufsehen sorgt.

Seit März ist die Politikwissenschaftlerin Sawsan Chebli die erste „Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten“ der Berliner Innenverwaltung – sie gehört zum direkten Stab des Senators. „Wir brauchen in unserer multireligiösen Gesellschaft den Dialog, um Parallelgesellschaften und damit einhergehende Spannungen und Radikalisierungen zu verhindern“, so Körting: „Frau Chebli bringt für diese Aufgabe die besten Voraussetzungen mit.“

Sawsans Cheblis Geschichte beginnt wie eine von denen, die in Deutschland eher selten in beeindruckende Karrieren münden. Die heute 31-Jährige wird als jüngstes von 13 Kindern einer palästinensischen Flüchtlingsfamilie in Berlin geboren. Bis zum Alter von 12 ist sie staatenlos, lebt mit unsicherem Aufenthaltsstatus. Die ältesten Geschwister dürfen als Flüchtlinge nicht zur Schule gehen; die Eltern sind Analphabeten, zu Hause wird Arabisch gesprochen. Sie geht als Erste aufs Gymnasium – und bleibt in der achten Klasse sitzen. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, sagt ein Lehrer zu ihr, als sie eine gute Zensur erreicht. „Erst habe ich aufgegeben. Und dann gedacht: Jetzt aber!“, erzählt Chebli: „Das hätte aber auch schiefgehen können.“

Jetzt will sie auch deshalb ein Vorbild sein: „Ich will zeigen, dass jemand, der keine deutschen, keine reichen, keine gebildeten Eltern hat, in diesem Land etwas erreichen kann“, sagt Chebli: „Dass die Türen nicht verschlossen sind.“

„Je religiöser meine Eltern wurden, desto mehr durfte ich“

Verschlossene Türen sind der schmalen jungen Frau wohl ein Gräuel. Ihr ist es zu verdanken, dass Körting, der die SPD-regierten Länder bei der Islamkonferenz vertritt, derzeit genau die islamischen Organisationen besucht, die beim Gesprächskreis des Bundes nicht dabei sein dürfen. Etwa die Neuköllner Al-Nur-Moschee, deren letztem Imam Körting vor ein paar Jahren die Wiedereinreise aus dem Libanon nach Deutschland verwehrte – wegen verfassungsfeindlicher Äußerungen. Heute sagt der Senator: „Wir reden mit allen, die Gewalt ablehnen.“ Auch unter konservativen Muslimen seien etliche, die Zwang und Gewalt verurteilten, sagt Chebli: „‚Konservativ‘ bedeutet weder ‚radikal‘ noch ‚nicht integriert‘!“ Gerade mit den Strenggläubigen müsse man reden, um ein „Abdriften“ zu verhindern: „Dialog ist unser wichtigstes Instrument!“

Sie selbst sei „sehr gläubig“, sagt Chebli von sich. Dass ihre Eltern sich in Deutschland zunehmend dem Islam zuwandten, habe ihr mehr Freiheit verschafft: „Die Verbote für Mädchen in muslimischen Familien sind eher traditionell begründet“, sagt sie. Der Islam lasse Mädchen dagegen viel Freiraum: „Je religiöser meine Eltern wurden, desto mehr durfte ich.“

Nun berät die Muslimin den Innensenator in Sachen Islamkonferenz: „Der Dialog ist ein Schritt in Richtung Integration des Islam in Deutschland.“ Aber sie wünscht sich auch konkrete Ergebnisse, etwa „dass wir zu einer Regelung für eine deutsche Imamausbildung kommen“. Außerdem organisiert sie eine interkulturelle Fortbildung für Polizisten – und auch mal einen Betriebsausflug mit Moscheebesuch für ihre Behördenkollegen.