: Das Verdikt von Neukölln
Berliner Gesichter: Der Neuköllner Baustadtrat Bodo Manegold (CDU) kämpft im Geiste des Alten Fritzen gegen Scientology und für ein weltoffenes Neukölln ■ Von Uwe Rada
Sie mögen ihn nicht. Für sie ist er einer „jener Politiker, die auf unschöne Art und Weise Karriere machen wollen“. Sie versuchen ihn, wo es irgend geht, zu diffamieren. Sie, die Scientologen, fühlen sich als Verfolgte, als religiös Benachteiligte.
Der Verfolger, das ist Bodo Manegold, Mitglied der CDU und seit 1990 der Baustadtrat von Neukölln. Seit dem Frühjahr ist der Dienstälteste der Neuköllner Stadträte Schirmherr des Neuköllner Bündnisses „Mieter gegen Scientology“.
Geht es gegen die Umwandlungspraktiken des Sektenkonzerns, hört beim Protestanten Bodo Manegold die Toleranz auf. „Wenn man denen freien Lauf läßt“, gibt er sich ganz als Warner, „wundert man sich später vielleicht, daß die Umgebung ganz anders aussieht, als man dachte.“ Manegold meint die politische Umgebung, den Geist des Totalitarismus.
Im Einsatz gegen die Sektenspekulanten und ihr Monopoly- Spiel mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist Manegold mehr als ein Politiker. Dann fragt er sich „Wie kann ich etwas erreichen?“ und nicht: „Wo sind die Paragraphen?“ Diese Haltung läßt ihn zuweilen sogar den Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) links überholen.
Während der Politiker Nagel anweist, die Umwandlungsanträge der Scientologen gutgläubig und ohne Ortstermin zu bescheiden, und sich bei den Betroffenen allenfalls bei Wahlkampfauftritten sehen läßt, agiert Manegold hinter den Kulissen: Er verweigert die Umwandlung, wenn es keine Innentoiletten gibt, entscheidet nicht am grünen Tisch, sondern im Einzelfall. Und er hat einen Modus gefunden, die Mieter – entgegen der Weisung des Datenschutzbeauftragten – von einer bestehenden Umwandlung zu informieren: Er schickt ihnen einen Fragebogen und will wissen, ob alle Wohnungen über eine Innentoilette verfügen. Zwei Fliegen mit einer Klappe hat er damit geschlagen. Die Mieter wissen, woran sie sind, und der Baustadtrat kann prüfen, ob er dem Umwandlungsbegehren der Eigentümer tatsächlich entsprechen muß.
Warum ist einer wie Bodo Manegold in der CDU? Weil Anfang der Siebziger, als er seine politische Karriere begann, das keine Frage war. „Damals begann jede CDU- Fraktionssitzung mit einem Gottesdienst“, sagt der Laienprediger. Heute ist das anders. Heute sind die Christen bei den Sozis und einer wie Manegold in der CDU „ein Exot“. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte steht auf seinem Schreibtisch. Es ist eine Statue Friedrichs des Großen. Den bewundert der konservative und zugleich tolerante Manegold ebenso wie den Großen Kurfürsten, der mit dem Edikt von Potsdam 1685 den Hugenotten hofierte und Berlin zuweilen eine Atmosphäre der Toleranz und Weltoffenheit verschaffte.
Seinen Wahlspruch hat er vom Alten Fritz. „Ein jeder soll nach seiner Façon leben“, meint Manegold und fügt hinzu: „Aber keiner darf den andern bevormunden.“ Für ihn ist es kein Widerspruch: das Edikt von Potsdam auf der einen, das Verdikt gegen die Scientologen auf der andern Seite.
Daß Manegold, anders als etwa sein karrierebewußter Vorgänger Wolfgang Branoner, etwas Unkonventionelles und gleichsam Bodenständiges anhaftet, hat zwei Gründe. Der eine: Manegold ist gebürtiger Buckower.
Seit der erschütternd-ergreifenden Neukölln-Genealogie von Thomas Kapielski und seiner kenntnisreichen Beschreibung der Genius loci von Britz, Buckow, Rudow und der Neuköllner Altstadt wissen wir, was den Buckower vor allem auszeichnet: „Buckow verhält sich als Randlage zum Zentrum Neukölln kathodisch, Rudow anodisch.“ – „Der hat das gut getroffen“, schmunzelt Manegold: „Der trinkfeste, erdverbundene Rudower und der etwas weltoffene, aber heimatverbundene Buckower.“ Die Buckower, sagt er über sich selbst, sind eben schon immer ein Völkchen für sich gewesen.
Der andere Grund für Manegolds kreativen Pragmatismus liegt in seiner Biographie. Der heute 47jährige begann seine Laufbahn als Werkzeugmacherlehrling bei den Fritz-Werner-Werken. Und als Vorsitzender der dortigen Jugendvertretung. Erst später holte er das Abitur nach und wurde Ingenieur. „Als Mann der Wirtschaft weiß ich heute, worauf es in der Politik ankommt“, sagt er: auf unkonventionelle Lösungen.
Daß die manchmal mit den Grünen – zum Beispiel beim Milieuschutz für die Altstadt – eher zu haben sind als mit der eigenen Fraktion, stört Manegold offenbar wenig. Genausowenig wie er es als Widerspruch empfindet, die Altbaugebiete behutsam sanieren zu wollen und auf der anderen Seite einen Teil von Neu-Britz der Verlängerung der A 100 zu opfern. Manegold ist ein Politiker, an dessen Sturheit sich alle die Zähne ausbeißen, das macht ihn schwierig und unbestechlich zugleich.
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