: Das Ungeheuer von Loch Bürgerpark
■ Japanischer Teufelsbohrer buddelt unterirdische Kanaltrasse / 1.200 t Schubkraft
Von außen zu sehen ist lediglich eine Einstiegsplattform, der Rest liegt unter der Erde. Stolze 580 Meter hat sich das Schneidrad des japanischen Bohrers 1,20 Meter unter der Oberfläche horizontal in den Boden des Bürgerparks gefressen.
Drei Meter Durchmesser hat die Röhre, in die nach und nach die Kanalelemente aus Beton nachgeschoben werden. 18 Tonnen wiegt ein Element, die Betonteile sind mit einer Tonsuspension eingeschmiert, damit beim Schieben die Reibungskräfte verringert werden. Die hydraulischen Pressen, die dabei eingesetzt werden, können insgesamt 1.200 Tonnen Gewicht schieben.
Zwischen Hemmstraße und Parkallee entsteht derzeit ein neuer Mischwasserkanal. Mitten durch den Bürgerpark führt die 18 Millionen Mark teure Trasse. „Bisher wurde nach starken Regenfällen das Wasser der Notüberläufe ungeklärt in die Weser eingeleitet“, erklärte Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke- Schulte gestern zur öffentlichen Besichtigung der „Ortsbrust“ (Platz, wo die Ramme ansetzt), circa 100 Meter vor der Parkallee im „Keller“ des Bürgerparks. Wenn die Riesenröhre im September nächsten Jahres fertig ist, wird das Regenwasser dort angesammelt, mit Haushaltsabwässern gemischt und über die Kläranlage Seehausen gereinigt. „Etwa 40 mal pro Jahr regnet es in Bremen so stark, daß wir den Mischwasserkanal werden aktivieren müssen“, schätzte gestern der Amtsleiter für Abwasserentsorgung, Dieter Voigt. Die anderthalb Kilometer Betonrohr sollen nach Möglichkeit 70 Jahre halten.
Das herkömmliche Bauverfahren hätte eine 30 Meter breite Baustellentrasse quer durch den Bürgerpark geschlagen. Der japanische Teufelsbohrer, der jetzt im Akkupunkturverfahren den Bürgerpark aushöhlt, ist besonders umweltschonend. Die insgesamt 1.530 Meter lange Röhre verläuft noch unter den Baumwurzeln des Bürgerparks, so daß die Pflanzen nicht beschädigt werden. „Das funktioniert wie eine Konservendose“, erläuterte Bauleiter Krause das Prinzip des japanischen Bohrers: Vorne frißt sich der Erddruckschild, eine Art Speichenrad, in das Erdreich. Der Boden fällt in das Innere der „Konservendose“ und wird mit einer Pumpe über eine Förderschnecke an die Erdoberfläche transportiert. Da das Grundwasser bei diesem Bohrverfahren nicht abgesenkt werden mußte, ist der abgebaute Boden sehr verwässert.
Wenn der Schild gut drei Meter tief in das Erdreich getrieben worden ist, wird die Röhre „wie ein Regenwurm“ (Krause) in das Erdreich gedrückt: Mehrere hydraulische Pressen drücken die Betonelemente dann in die Erdhöhle, an der Einstiegsplattform wird dann ein zusätzliches Element eingesetzt und durch eine Stahlmanschette mit der Röhre verbunden. Insgesamt werden 216 Einzelelemente nötig sein, um den neuen Mischwasserkanal zu legen.
mad
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen