: Das Straßenbild
Die Reklamerezension. Heute: Berlin, Friedrichstraße Ecke Mauerstraße
Werbung ist immer intelligent. Werbung kann gar nicht dumm sein. Sie tut nur manchmal so. Das glauben Sie nicht? Und Sie halten das nebenstehende Beispiel für den himmelschreienden Beweis der Dummheit der Werbeprofis? Na hören Sie, wo zigtausende Mark in eine Kampagne gepumpt werden, gibt es nichts, absolut gar nichts, was nicht dutzendfach ventiliert, variiert und perfektioniert worden wäre.
Sagen Sie es auf wie ein Mantra: Werbung ist wie Politik, Werbung ist wie Politik, Werbung ist wie Politik. Selbst wenn sich Ihnen ihr Sinn nicht gleich erschließt – es steckt immer eine Absicht dahinter. Immer! Man muss nur die Nebelbömbchen, die von den Werbe- oder eben Politstrategen gezündet werden, verrauchen lassen. Dann tritt die Botschaft irgendwann klar und deutlich zutage.
Zugegeben, im vorliegenden Fall ist es schwer, an Intelligenz zu glauben. Da ist zum einen das pseudoenglische Idiom. Plattenfirmen denken ja gerne, Englisch wirke automatisch weltläufig. Wäre da nur nicht dieser fehlgeleitete Genitiv-Apostroph: „2 CD’s“? Great! Warum nicht gleich auch „19 No. 1 Hit’s“ und „40 Classic’s“? Oder noch besser: „Bee Gee’s“! Hey, ist doch egal, alte Bee-Gees-Fans schreiben ja auch „Bini’s Lädchen“ über ihre Boutique.
Gravierender ist natürlich, dass eine Doppel-CD mit dem Foto einer LP beworben wird. So dumm kann man nicht sein! Und gerade das sollte uns misstrauisch stimmen. Machen wir uns frei von dem Vorurteil, unser IQ sei stets die höchste Instanz. Hier wird der IQ geradezu beleidigt – recht so! Denn hier geht es um den EQ, den Emotionsquotienten. Sieht solch eine samtig schimmernde LP-Rille vor tiefschwarzem Hintergrund nicht wirklich viel sinnlicher aus, als es die wundervollste Compact Disc je vermöchte? Und wann haben wir uns zuletzt beim Blick auf eine ruhig kreisende LP in eine softe Absence geträumt? Lange her. Seufz.
Die Musik der Bee Gees, signalisiert uns dieses Plakat, holt die schönen alten Zeiten zurück. Selbst wenn sie vom CD-Player kommt, sie fühlt sich noch so an wie damals, als Musik in Vinyl gepresst wurde. Und überhaupt: Hatten die Bee Gees in der CD-Ära je einen ihrer 19 No. 1 Hits? War nicht nach „You Win Again“ Schluss mit den Classics?
Blöd nur, wenn sich die ganzen in die Jahre gekommenen BetreiberInnen von Apostrophlädchen bei so viel Plakatnostalgie an ihre Original-LPs erinnern und auf die Doppel-CD pfeifen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Bini heute viel zu bequem ist, ihren alten Plattenspieler noch einmal vom Speicher zu kramen. Mensch, Bini, hol dir die 2 CD’s! Keep stayin’ alive, uh uh uh ah! REINHARD KRAUSE
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