: Das Sterben in Tschetschenien geht weiter
■ Zahlreiche Tote bei Kämpfen um belagerte Dörfer. Sicherheitsberater Alexander Lebed rechtfertigt die russische Offensive. Bombe explodiert auch in Moskauer Bus
Moskau / Grosny (AFP/AP/rtr) Eine Woche nach dem Wahlsieg von Präsident Boris Jelzin tobt der Krieg in Tschetschenien wieder mit unverminderter Härte. Bei heftigen Kämpfen um das Dorf Gechi wurden gestern viele Bewohner und tschetschenische Unabhängigkeitskämpfer getötet, wie die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass berichtete. Ums Leben kam auch der stellvertretende russiche Kommandeur im Nordkaukasus, General Nikolai Skripnik, als er auf eine Mine fuhr.
Nach russischer Darstellung wollten die in Gechi belagerten tschetschenischen Kämpfer das Dorf mit den Bewohnern gestern verlassen. Bei dem Ausbruchsversuch kam es zu heftigen Gefechten. Unter den getöteten Rebellen befindet sich Itar-Tass zufolge auch ihr Befehlshaber Doka Machajew. Mehr als 20 verletzte Dorfbewohner wurden in das Krankenhaus von Urus-Martan gebracht. Ebenfalls weiter bombardiert wurde das tschetschenische Dorf Makcheti. Dort soll sich nach russischer Darstellung der Führer der Unabhängigkeitsbewegung, Selimchan Jandarbijew aufhalten. Russische Truppen riegelten das Dorf ab.
Die russische Militärführung meldete gestern 19 Angriffe tschetschenischer Kämpfer in den zurückliegenden 24 Stunden, darunter sieben Überfälle in der Hauptstadt Grosny. Dabei wurden den Angaben zufolge fünf russische Soldaten getötet und 23 verletzt.
In einer Erklärung kündigten die Unabhängigkeitskämpfer ihren Widerstand gegen die russische Offensive an. Sie machten Moskau für das Scheitern der Friedensvereinbarungen verantwortlich. Diese seien lediglich aus wahlkampftaktischen Gründen unterzeichnet worden.
Der russische Sicherheitsberater Alexander Lebed billigte unterdessen das Vorgehen der russischen Truppen. Der Ex-General bezeichnete gestern die jüngste Offensive der russischen Truppen als „angemessen“. Lebed sagte in Moskau, die Unabhängigkeitsbestrebungen der Rebellen könnten zu einem Krieg im ganzen Kaukasus führen. Gleichzeitg betonte Lebed, daß er weiter für eine friedliche Lösung des Konflikts sei.
Verletzte bei Attentat am Moskauer Puschkinplatz
In Moskau verübten Unbekannte gestern ein Bombenattentat auf einen Bus. Dabei wurden fünf Insassen zum Teil schwer verletzt. Die Bombe explodierte während des Berufsverkehrs in einem Bus am Puschkinplatz im Zentrum der Hauptstadt. Sie war in einer abgestellten Einkaufstasche versteckt. Der Fahrer wurde mit schweren Brandwunden in ein Krankenhaus eingeliefert.
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