: Das Semester-Ticket kommt
■ Obwohl's 209 Mark kostet: 71,6 Prozent der Studierenden sind dafür / Die letzte Hürde ist jetzt eine Abstimmung im Stupa Von Kaija Kutter
Damit hatte keiner gerechnet. Als die Stimmzettel Freitag nacht ausgezählt waren, glänzten die Augen von Niko Meyer vor Freude. Der Asta-Öko-Referent, der die Verhandlungen mit dem HVV geführt hatte, war der einzige, der bis zuletzt an die Durchsetzung des Semester-Tickets geglaubt hatte. Bei der nun durchgeführten Umfrage stimmten 71,6 Prozent der Studierenden der Hamburger Uni für ein HVV-Tickets von 209 Mark.
Das sei viel zu teuer und unsozial, hatten konkurrierende Hochschulgruppen kritisiert und dem Grünen Asta „sozialpolitische Ignoranz“ vorgeworfen. Die Tatsache, daß Senat und HVV keinen Pfennig dazubezahlen und auf das ursprüngliche Angebot von 178 Mark von vor anderthalb Jahren noch eine zweimalige Preiserhöhung von je fünf Prozent draufgeschlagen wurde, hatte zuletzt auch innerhalb des Asta zu Differenzen geführt. Nur wenn 70 Prozent dafür seien, so die extra hoch angesetzte Hürde, werde man den Vertrag mit dem HVV unterschreiben.
„Die Basis hat sich dafür entschieden, das Votum ist eindeutig“, interpretiert Niko Meyer das Ergebnis. Zwar haben sich nur 22 Prozent der 45.000 an der Hamburger Uni Studierenden beteiligt. Doch ist dies gemessen an der üblichen Beteiligung von 12 Prozent an Asta-Wahlen ungewöhnlich hoch. Bei der parallel geführten Abstimmung an der Fachhochschule haben ebenfalls über 70 Prozent zugestimmt. Wenn nun auch TU-Harburg, HWP und Kunst- und Musikhochschule mitmachen, entsteht hier mit 60.000 Beteiligten das größte Großkunden-Abo.
Und noch eine kleine Hürde muß genommen werden: kommenden Donnerstag muß das Studierenden-Parlament beschließen, die Gebührenordnung der Verfaßten Studentenschaft zu ändern. Geht dies durch, so bekommen Hamburgs Studis bereits im März zusammen mit dem Rückmeldebogen fürs Wintersemester 94/95 die Überweisungsformulare zugeschickt.
Gültig ist das Ticket, das fürs gesamte Hamburger Verkehrsnetz gilt, ab Oktober. Alle, die es nicht nutzen wollen, können die Härtefallklausel in Anspruch nehmen. Wenn sie nachweisen können, daß nach Abzug von Miete und Krankenversicherung weniger als 519 Mark zur Verfügung stehen und daß sie auch ohne Pkw zur Uni kommen , werden die 209 Mark erlassen. Auch Kommilitonen, die eine DB-Dauerfahrkarte besitzen oder ein Semester aussetzen, werden vom „Zwangs“-Ticket befreit.
HVV und Senat haben sich bei der Finanzierung dieser ökologisch vorbildlichen Maßnahme elegant aus der Affäre gezogen. Die HVV-Einnahmen der jetzigen Studenten-Abo-Karten (58 bis 110 Mark) wurden schlicht durch die Zahl der Immatrikulierten geteilt. Das Risiko wurde auf die Studenten abgewälzt. Auf den Preis von 199 Mark wurden 10 Mark für einen „Sozialfonds“ draufgeschlagen, aus dem die durch Härtefälle entstandenen Einnahmeverluste beglichen werden sollen. Lediglich für den Fall, daß dies nicht reicht, will der Senat eine Bürgschaft übernehmen.
Auch mit dem ursprünglich geforderten Pendelbus zum Campus wird es nichts. Der HVV müsse eh Leistungen abbauen, wurde Niko Meyer gesagt. Wenn die Linie 102 überfüllt ist, werde man die Taktzeiten von derzeit 3 bis 4 Minuten noch weiter verkürzen. Wenn da nur nicht Gelenkbus an Gelenkbus im Stau stehen bleiben wird...
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