Das Schiff „Hertha“: Alter Dampfer, ahoi!
So skandalumwittert wie die Hertha: Das namensgebende Schiff ist nach vielen Pannen wieder in Berlin. Zu Ende ist die Odyssee noch nicht.
Vorbei ist sie noch nicht. Denn das Boot, das Hertha-Verantwortliche zum 125-jährigen Jubiläum zurück nach Berlin holen wollten, ist zwar mittlerweile, ein halbes Jahr verspätet, nach langem Hickhack in der Heimat eingetrudelt. Hertha-Fans befördern darf es aber vorerst nicht. Ob es dazu kommt, ist auch noch nicht klar. Außerdem nicht, wer das bezahlen soll. Und was die Behörden zu alledem sagen.
Schon die Vorgeschichte des Kahns bietet Stoff für einen Roman: 1886 wurde das Passagierboot „Hertha“, benannt nach der Tochter des Reeders, in Stettin vom Stapel gelassen. Irgendwann gelangte es auf die Spree und Havel, wo der spätere Hertha-Mitgründer Fritz Lindner zufällig eine Fahrt auf dem blau-weißen Boot unternahm.
Im Sommer 1892, am 25. Juli, so ist es überliefert, gründeten Fritz und sein Bruder Max, damals Teenager, zusammen mit dem Brüderpaar Otto und Willi Lorenz auf einer Parkbank einen Fußballverein (es soll die Sonne geschienen haben, was nicht belegbar ist, aber wegen der Parkbank naheliegend). Sie gaben ihm den Namen und die Farben des Dampfers.
Der Dampfer erlebte eine Aneinanderreihung von Abenteuern, bei denen eigentlich jedem Herthaner warm ums Herz werden müsste. Er galt als verschollen. In den Sechzigern schipperte das Schlitzohr inkognito unter dem Namen „Seid bereit“ auf DDR-Gewässern. Er überlebte eine geplante Verschrottung. Er wurde von Peter Dentler aus Wusterhausen restauriert. Und schließlich als die „Hertha“ identifiziert. In den neunziger Jahren versuchte Hertha BSC eine Weile, das Schiff zurückzukaufen, aber schon da gab es Streit um den Preis.
Schiffs-Aktien für Fans
Nun haben seit Längerem die Präsidiumsmitglieder Christian Wolter und Ingmar Pering die Angelegenheit in der Hand genommen; mit viel Einsatz, aber offenkundig wenig Professionalität. Mit dem Verkauf von Schiffsaktien an Fans wollten die beiden Macher 1,46 Millionen Euro einsammeln. Bloß waren die Herthaner weniger enthusiastisch dabei als gedacht. Nur rund 400.000 Euro sollen durch Fans zusammengekommen sein. Genug, um die „Hertha“ zu kaufen und irgendwie über Land zu transportieren, aber dann war Feierabend.
Am 25. Juli, pünktlich zum 125. Jubiläum des Vereins, sollte die „Hertha“ in Berlin einlaufen. Schon auf dem Landweg holperte es: Beim Transport wurde die „Hertha“ beschädigt, wegen Sturms kam sie verspätet im Hafen von Wustermark an. Und von da aus ging es dann ein halbes Jahr überhaupt nicht mehr weiter. Denn dummerweise bekamen die Macher keine Fahrerlaubnis auf Berliner Gewässern.
Dann fanden sie keinen Liegeplatz, beschuldigten für all die Miseren wild jeden vom Schifffahrtsamt bis zu Berliner Reedern, die sich angeblich gegen die „Hertha“ verschworen hatten, und irgendwann sprang noch der schwer erkrankte Kapitän ab. Im Jubiläumsjahr, wo Hertha alles richtig machen wollte, ging vieles schief.
„Ich hätte mir bei dem Vorhaben mehr Unterstützung von allen Herthanern erwartet“, sagte Organisator Christian Wolter im November. „Aber ich kann dazu ja niemanden zwingen.“ Das brachte ihm bei Hertha-Fans nicht unbedingt Sympathien ein.
Die Hertha-Führung verkrachte sich dann auch noch über das Projekt: Wolter griff öffentlich Hertha-Präsident Werner Gegenbauer, Manager Michael Preetz und Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller dafür an, dass keiner von ihnen eine Aktie erworben habe. „Es ist leider so, dass uns nicht jeder Glück und Erfolg wünscht mit der Hertha“, so Wolter. Und streute gegenüber dem Tagesspiegel das Gerücht, die Führungsetage habe eine gezielte Medienkampagne gegen den Dampfer geführt. Die Öffentlichkeit durfte sich indessen bei all den Peinlichkeiten fragen, wie man es schafft, sich so dermaßen über ein Boot zu zerstreiten.
Endlich eingelaufen
Christian Wolter ist mittlerweile zurückgerudert; seine Aussagen seien „aus dem Zusammenhang gerissen“. „Ich will keinen Krieg und keinen öffentlichen Kampf“, sagte er der Bild-Zeitung. Dafür aber war es dann schon zu spät, Gegenbauer war nicht amüsiert. Immerhin das Schiff macht Fortschritte: Ein Ersatzkapitän ist mittlerweile gefunden, die Fahrerlaubnis da, und am 14. Dezember lief der Gründungsdampfer in Treptow ein. Sogar ein paar Stunden früher als erwartet. Dort hat er einen Liegeplatz.
Wolter und Pering wollen ihn zum Ausflugsdampfer machen, eine Genehmigung aber fehlt mal wieder. Dazu bedarf es einer teuren Restaurierung. Wer die bezahlt, ist unklar; von den gerade mal 50 interessierten Fans, die sich die Rückkehr anschauten, dürfte eher nicht genug Geld zusammenkommen.
Und Passagierfahrten werden noch aus einem anderen Grund schwierig: Das Schiff ist, wie jetzt bekannt wurde, 70 Zentimeter zu hoch, um unter Berlins Brücken durchzupassen. Was für ein Unglück.
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