piwik no script img

Das SED-Politbüro wußte alles

■ Vorfälle an der DDR-Grenze waren kein Geheimnis

Berlin (dpa/AP) – Das SED-Politbüro beschäftigte sich doch mit Zwischenfällen an der Berliner Mauer und an der innerdeutschen Grenze. Dies geht aus einer Aussage des früheren Chefs der Parteikontrollkommission, Erich Mückenberger (85), bei der Staatsanwaltschaft hervor, die gestern im Prozeß gegen ihn und fünf weitere Mitglieder des Politbüros erörtert wurde. Nach Angaben eines Oberstaatsanwalts, der 1993 die Vernehmung leitete, hat Mückenberger ausgesagt, daß im engsten SED-Führungszirkel über „größere Vorfälle“ – etwa den Bau von Fluchttunneln – gesprochen worden ist. Dem Angeklagten wird vor dem Berliner Landgericht Totschlag an DDR-Flüchtlingen zur Last gelegt. Die Aussage, wonach sich das Politbüro mit der Situation an Mauer und Stacheldraht beschäftigt habe, gilt als ein Kernpunkt der Anklage. Sie wirft den Beschuldigten vor, es unterlassen zu haben, das Grenzregime zu humanisieren. Zu Beginn der Sitzung hatte der ehemalige Staats- und Parteichef Egon Krenz dem amtierenden Oberstaatsanwalt Bernhard Jahntz Befangenheit vorgeworfen. So habe Jahntz ihn in einer Vernehmung 1991 nicht korrekt über seine Rechte belehrt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen