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Das RollenvorbildDer coole Schwule

Der postmoderne Mann hat sich sein Selbstverständnis von den Schwulen abgeschaut. Die Last der Männlichkeit aber trägt er immer noch. Sein Nachteil: Er hatte kein Coming Out.

Der beste schwule Freund kann ihm dabei nur ein Ratgeber sein. Bild: AndreaCC-BY-SA

Es dauert eine Weile. Aber dann fragen die postmodernen, heterosexuellen Männerfreunde: "Und wie ist es so im Darkroom?" Was sie neugierig macht, ist die Verheißung einer befreiten, ungebrochenen, männlichen Sexualität - auch wenn die Wirklichkeit schwulen Lebens vielfältiger und gerade in dieser Beziehung oft dröger ist, als mancher denkt.

Doch die Sexinfrastruktur der Schwulen lässt sich nur schwer auf die heterosexuelle Welt übertragen. Und damit allein wäre die Emanzipation des heterosexuellen Mannes auch noch nicht geglückt. Denn im Vergleich zum schwulen Mann hat er vor allem ein Defizit: Er hatte kein Coming-out. Es ist ein Prozess, bei dem es um existenzielle Fragen geht: Wer bin ich, was brauche ich, wie will ich leben? Was sind meine Schwächen und finde ich den Mut, diese auch zu zeigen?

Es sind dies Fragen, die sich jedem Menschen stellen. Aber der postmoderne Mann ist nicht dazu gezwungen, diese Auseinandersetzung zu führen, denn ein Coming-out ist im heterosexuellen Kontext nicht nötig. Sein Selbstverständnis ist eher abhängig von der Erwartung seines weiblichen Gegenübers, von den Anforderungen der Vaterschaft. Mann und Frau zusammen bilden jenes Geflecht, das sich so schön "heterosexuelle Zwangsmatrix" nennt.

Bild: www.danieljosefsohn.com

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Trotzdem hat seit den Neunzigerjahren der Austausch zwischen Schwulen und den postmodernen, meist um das Jahr 1970 herum geborenen Männer deutlich zugenommen. Die Ängste zwischen schwulen und heterosexuellen Männern wurden weniger. Im "Anything Goes" der Neunzigerjahre wurde schwul auf einmal cool, denn die Szene-Schwulen hatten längst das Rüstzeug für den experimentierfreudigen Geist der Zeit: Sie spielten mit Geschlechterrollen, gestalteten und stählten ihre Körper, hatten den unbedingten Willen zum Hedonismus und eine Partyinfrastruktur. Es entstanden kleine Schnittstellen im Nachtleben: Die Schwulen lebten nicht mehr isoliert im Bunker - stattdessen traf man sich dort, um gemeinsam zu feiern. Auch in der schönen, neuen Kreativberufswelt fand man zueinander.

Deutlich wurde diese neue Nähe vor allem an der Oberfläche. Die Heteros lernten, selbst Sexualobjekt zu sein, und im Umland großer Städte oder in der Provinz sehen die jungen heterosexuellen Männer heute oft so aus wie die Schwulen in den Neunzigern: ganzkörperrasiert, gezupfte Augenbrauen, solariumgebräunt. Auch in dieser Hinsicht kam der postmoderne Mann seinem Gegenüber, der postmodernen Frau, entgegen. Denn ihr und ihren modifizierten, offensiver vorgetragenen Erwartungen muss er ja entsprechen, wenn er Erfolg bei ihnen haben will. Er muss Emotionalität zulassen und Bereitschaft zu einer hingebungsvollen und verantwortungsbewussten Vaterschaft zeigen.

Der beste schwule Freund kann ihm dabei nur ein Ratgeber sein - meist sogar nur ein gut zuhörender Ratgeber. Denn der schwule Mann sieht sich weniger stark mit klassisch männlichen Rollenanforderungen konfrontiert: Der Status einer "richtigen Männlichkeit" wurde ihm schließlich aberkannt.

Ein Verlust, den viele Schwule jedoch als Chance zu nutzen verstehen. Es ist auch die Befreiung von einer Last, denn Männlichkeit muss jeden Tag aufs Neue bewiesen werden, man kann sie verlieren. Und der Druck hat im Gegensatz zu den Neunzigern zugenommen. Im letzten Jahrzehnt betraten der Cowboy und der Krieger erneut die Weltbühne. Und die Supermutter. Rigide Rollenbilder mit leichten Retuschen.

Der postmoderne Mann trägt also weiter an der Last der Männlichkeit. Und klar, Schwule waren immer Avantgarde. Denn der Schwule war von Anfang an, also seit der Geburt seiner sichtbaren Identität im 20. Jahrhundert, der moderne Mensch: auf extreme Art herausgelöst aus traditionellen Bindungen wie Familie und Nation. Ob er auch ein Vorbild sein kann? Zumindest vermag er als Teil einer Minderheit noch immer schneller als andere, Anpassungsleistungen an eine sich verändernde Umwelt zu leisten.

Daher sieht der schwule Mann längst wieder männlicher aus als der postmoderne. Er trägt zum Beispiel Bart, Achsel- und Brusthaar. Mit dieser eher rigide männlichen Performance ist er gut aufgestellt für diese rauen Zeiten, in denen es für Minderheiten nicht viel zu lachen gibt und die von Krise, Krieg und Konkurrenz bestimmt sind.

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19 Kommentare

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  • AB
    Alex B.

    "Daher sieht der schwule Mann längst wieder männlicher aus als der postmoderne. Er trägt zum Beispiel Bart, Achsel- und Brusthaar." - Ach, tut er das! Gut, dass wir die taz mit ihrer endlosen Weisheit haben. Jetzt weiß ich endlich, wie ich "die Schwulen" erkenne! Eine derart eindimensionale Weltsicht wird auch nicht besser, wenn sie sich den Anstrich von Progressivität gibt und mit total avangardistischen Begriffen ("postmodern") um sich wirft.

    "Die Schwulen", "die Heteros", gar noch "die Frauen" - Wo gesellschaftliche Gruppen mit dem Demonstrativpronomen genannt werden, da weiß der geneigte Leser immer: Hier wird differenziert betrachtet! Dazu ein sehr schönes, lexikalisches Zitat: "Das Demonstrativpronomen oder auch hinweisendes Fürwort ist eine Wortart, mit der der Sprecher auf einen Gesprächsgegenstand im Raum verweist, auf den man mit dem Finger zeigen kann." - Ach taz, du alte post-moderne Post-Zeitung, jetzt weiß ich wieder, warum ich für dich längst kein Geld mehr ausgebe, sondern dich nur abundan mal online lese, wenn ich mal wieder was brauche, um mich so richtig schön zu amüsieren!

     

    Noch trauriger sind allerdings einzelne Kommentare. Ein "Sammy", der seine Aussage für so wichtig hält, dass er sie gleich zweimal postet; ein "P. Fluhr", der hundert Punkte gewinnt, der es schafft, den Artikel in der Kategorie "Klischee, Vorurteil und Schublade" noch mehr zu überbieten.

  • PF
    P. Fluhr

    ...Das ganze "Ding"...OBERPEINLICH.... und geht völlig am Eigentlichen vorbei.

     

    Die große Mehrzahl der Schwulen will doch "Ihre Diskriminierung und Ihr Anderssein" behalten und fördert und unterstütz dies auch massiv (auch durch Verhalten! )

     

    Sonst hätten ja viele dieser armen Gestalten nichts mehr worüber sich sich definieren und was Ihrer "Persönlichkeit" ausmacht….da muss doch der Becker, der Metzger, die Kneipe, der Sportclub alles schwul sein. Denn wie setzt sich sonst der gehemmt - verklemmte Schwule gegen eine "böse Hetrowelt" durch...dann bleibt man lieber in den eigenen Gettos und baut sich ein rosa-exotisch Scheinwelt in der man als "Prinz" immer und überall geliebt wird...also erstmal fragen ...wollen und können die Schwulen den überhaupt als "Normal" gesehen werden...wer sich so verhält wohl kaum!! Einer der auch mit Männern Sex hat. P.Fluhr, Mainz

  • L
    Lettermann

    P.S.: Was ne Graupe von Artikel. Die Pauschalisierungen will ich Ihnen mal durchgehen lassen, aber die gewagtesten Aussagen verraten uns weniger über unsere Träume als über Ihre eigenen.

  • L
    Letterman

    Ich trage schon seit Jahren Bart-, Achsel- und Brustbehaarung, den etwas rigideren Style halt. Und jetzt wollen diese ganzen Nachmacher plötzlich Trendsetter sein!

  • T
    teo

    Die schwule Avantgarde: Ganzkörperrasiert, gezupfte Augenbrauen, solariumgebräunt.

     

    Die Heten haben dem nachzueifern, denn nur so kann der "postmoderne" Mann der "postmodernen" Frau unter die Augen treten. Ganz toll.

     

    Der heterosexuelle Mann im Assitoaster. Und die taz wie immer auf der Höhe der Zeit.

     

    Stört es die "postmodernen" Damen eigentlich sehr, wenn mann auch lesen und schreiben kann?

  • H
    Harry

    Der moderne Mann weiss längst, dass wir in D in der "Feministic Republic of Germany" (FRG) leben. Mit unendlichen Privilegien für Frauen. Sie warten witternd darauf, bis die Zeit zum Handeln kommt. Denn noch gilt: Wer Feminismus kritisiert ist ja ein Frauenfeind. Erst wenn dieses Bild kippt, und der Satz "A. Schwarzer ist einfach nur eine plumpe Männerhasserin, die sich auf unsere Kosten profiliert und abkassiert", nicht zu Sexmangel führt, dann geht es los. Hoffentlich bald.

  • UR
    Udo Radert

    Zitat:

     

    "Mit dieser eher rigide männlichen Performance ist er gut aufgestellt für diese rauen Zeiten, in denen es für Minderheiten nicht viel zu lachen gibt..."

    ________

     

    Um so dankbarer muss man dann wohl für diesen Artikel sein, der wenigstens viel (wenn auch fast durchweg unfreiwilligen) Humor beweist. :-)

     

    (Sorry, aber das Ding hier war wirklich nicht so dolle... ;-)

  • S
    Sammy

    diese debatte ist ähnlich sinnvoll wie die über frauenrechte in D. und wird ebenfalls von profilneurotikern beherrscht, welche oft nichtmal selbst betroffen sind, ihren namen aber gerne unter leserbriefen und artikeln lesen. vielleicht legt hier erstmal jemand seinen verfolgungswahn ab bevor er das

    "coming out der heteros" fordert.

    die queerszene hat sich so auf die opferrolle versteift, das ich mich zeitweise nach jerusalem versetzt fühle.

     

    ro(t)sige grüsse

     

    sam

  • R
    Rütting

    "Sind Darkrooms nicht einfach ein wenig mehr als postpubertäre Fantasien?"

     

    Ein wenig? Viel mehr! Sie scheinen noch nie in einem Darkroom gewesen zu sein. Ein gelungener Darkroom-Besuch ist ein transendenteres Erlebnis, als Sie anscheinend glauben. Er gibt das Gefühl völliger Befreiung von jeglichem Normzwang in Verbindung mit extatischer Erfüllung.

     

    Sollten So Ihre "postpubertäre(n) Fantasien" sein, würde ich sie gern mal kennenlernen.

     

    Grüße, E. Rütting aus Erlangen

  • JC
    joe conte

    Der Titel verrät die Unreife. Alles ist Zwang. Die eine Richtung wird durch eine andere ersetzt. Eine Strömung wird als überholt, unanständig, diskriminierend dargestellt. Es finden sich Vertreter einer Seite zusammen, sie setzen sich durch und sie setzen durch wie ein Mann, eine Frau, ein Kind, eine Kreatur allgein neu zu definieren ist. Sie benützen die mediale Macht und die oben zitierte Unreife, um noch mehr Verwirrung zu stiften, um dann behaupten zu dürfen, was cool und uncool ist. Schon der Begriff ist Furcht erregend und deprimierend. Warum kann man zwischenmenschliche Beziehungen nicht gewaltlos gestalten. Gewalt steckt in der homosexuellen Sprache im selben Mass wie in der sogenannten männlichen Sprache. In beiden Bereichen greift man an, definiert man die eigene Identität durch die Diskriminierung des anders Denkenden. Anstatt durch Nachdenken zu einem Prozess der Erneuerung zu gelangen trachtet man danach den Anderen zu verletzen, auszugrenzen, ihm Wunden zu zufügen, die unweigerlich nicht zueinander führen, sondern immer mehr voeinander auf eine seltsame und manchmal nicht mehr merkbare Art. Dann sind sie alle zufrieden und glauben auf ihre einsame und seltsame Weise ein wenig Emanzipation erfahren zu haben.

  • M
    Martin

    Was hat ein Coming-Out zu tun mit der Frage "Was sind meine Schwächen und finde ich den Mut, diese auch zu zeigen?"?

     

    Ist Schwulsein eine Schwäche?

     

    Ein Coming-Out hat ausschließlich zu tun mit der sexuellen Ausrichtung und sonst gar nichts. Schwulsein ist doch keine Weltanschauung und kein Lebensstil.

  • D
    Dunbar

    Leider wieder mal nur konservatives Schubladendenken, dass sich dann auch noch als progressiv verkauft. Es gibt nicht "den schwulen Mann" und es gibt auch nicht "den heterosexuellen Mann". Es gibt nur Menschen die unterschiedlich ticken, unabhängig von ihrer sexuellen Ausrichtung. Und wer sagt eigentlich ständig, dass wir Schwulen den Heteros was beizubringen hätten? Mein Gott, lasst uns doch einfach in Ruhe unser Leben leben. Ich möchte mal den Tag erleben an dem man über diesen ganze "wir" und "ihr" Quatsch, nicht mehr reden braucht. Ich stehe auf Männer - na und? Warum muss ich jetzt unbedingt ein besseres Stilempfinden haben als alle anderen Männer? Wir kategorisieren und charakterisieren die Menschen ja auch nicht danach, ob sie eine Vorliebe für Spinat haben oder nicht.

  • L
    linuxoidcru

    von welcher postmoderne soll denn hier die rede sein? im lyotardschen sinne oder handelt es ich hierbei nur um ein schlagwort, weil für diese generation "männer" noch kein passendes wort gefunden wurde?

    und echt; nicht noch mehr klischees, die im heteronormativen diskurs stecken bleiben. mir kommt tagtäglich schon mehr als genug die galle hoch.

  • S
    sammy

    lächerlich, queers grenzen sich des öfteren selbst ab und leben und feiern gern und oft innerhalb ihrer eigenen subkultur. ist das jetzt mein problem?

    eine randgruppe am rand der gesellschafft, hoffentlich sind die blauhelme bald da.

    diese debatte ist ähnlich sinnvoll wie die über frauenrechte in D. und wird ebenfalls von profilneurotikern beherrscht, die oft nichtmal selbst betroffen sind, ihren namen aber gerne unter leserbriefen und artikeln lesen. vielleicht legt hier erstmal jemand seinen verfolgungswahn ab bevor er das

    "coming out der heteros" fordert.

    die queerszene hat sich so auf die opferrolle versteift, das ich mich zeitweise nach jerusalem versetzt fühle.

     

    ro(t)sige grüsse

     

    sam

  • G
    Gunter

    Schon klar, wir sind alle gleich, wir sind alle gelangweilt, wir sind Gender.

  • R
    Reinhold

    Martin Reichert scheint in unsäglicher Weise in die Fußstapfen von Jan Feddersen zu steigen. Peinlich!

    Echt peinlich, diese Aneinanderreihung von Klischees über Schwule und Heteros!

    Arme taz, du hast doch schon mal mehr gekonnt!

  • B
    BrAndi

    "der Schwule Mann", "der Postmoderne Mann", " der heterosexuelle Mann", "der beste schwule Freund", "der moderne Mensch".

     

    So viele Schubladen. Ich sage mal die Uni ist Schuld.

    Lassen sie einfach mal die Labelpistole im Holster stecken.

  • JW
    J. W.

    Ein paar gute Gedanken zum Coming-Out! Dennoch ein paar Fragen:

     

    Welche postmoderne, heterosexuelle Männerfreund interessiert sich schon für schwule Darkrooms? Kann nicht auch Monogamie „die Verheißung einer befreiten, ungebrochenen, männlichen Sexualität“ bedeuten? Sind Darkrooms nicht einfach ein wenig mehr als postpubertäre Fantasien?

     

    Inwieweit passt es zusammen, Sexualobjekt zu sein, um scheinbar „Bereitschaft zu einer hingebungsvollen und verantwortungsbewussten Vaterschaft [zu] zeigen?

     

    Und inwieweit ist ein Mensch bitteschön modern, wenn er „auf extreme Art herausgelöst aus traditionellen Bindungen wie Familie und Nation“ ist? Widersprechen sich also Familie(nbewusstsein) und Modernität?

  • S
    slowtiger

    Ich warte wirklich sehnsüchtig auf den Tag, an dem ich keine dummen Definitionen von "männlich" (oder "weiblich") mehr hören muß. Aber das ist wohl ebenso vergebens wie darauf zu hoffen, irgendwann mal keine Männer mehr zu sehen, die so dumm sind, solchen Moden nachzulaufen.

     

    Wo ist das Ideal der allseits gebildeten Persönlichkeit geblieben? Woher kommt der überhebliche Anspruch, jedem zu verbieten, einfach er selbst zu sein? Wer hat den Anspruch, sich selbst in Frage zu stellen, denn kombiniert mit der Pflicht, Abziehbildern zu gleichen?