: Das Profit-Center Aidsberatung
■ Sozialsenatorin bereitet den Umbau der Projektfinanzierung vor / Kriterien im Nebel
Die Bremer Projektfinanzierung soll grundlegend umgekrempelt werden. So jedenfalls deuten die bremischen Träger der Aidsberatung die Gespräche, die seit Oktober mit VertreterInnen der Gesundheitsbehörde geführt werden. In Zukunft sollen statt der Stellen- und Sachmittel fest umrissene „Leistungen“ finanziert werden. Dann erhielte das Rat- und Tat-Zentrum beispielsweise nicht mehr seine vier hauptamtlichen Stellen pauschal bezahlt. „X Stunden Aids-Beratung mal X Mark Vergütung“, so stellt Wolfgang Beyer, der Pressesprecher der Gesundheitssenatorin, dar, worum es gehen könnte. Denn noch sei das „Zukunftsmusik“. Lediglich in Berlin gäbe es ähnliche Bemühungen, ohne daß schon verwertbare Ergebnisse vorlägen. Vorerst gehe es der Behörde mittels frisch erstellter Fragebögen zum Leistungsnachweis nur um eine „Erhebung“ und um eine vergleichende Auswertung. Die Software werde gerade entwickelt.
Anke Wolters vom Frauenberatungsladen Tenever lacht, wenn sie das hört. Die Mitarbeiterinnen der Frauengesundheitsprojekte rechnen ebenso wie die Aids-Beratungen bereits im nächsten Jahr mit einer geänderten Finanzierungform. Das Problem dabei sehen sie vor allem in den Kriterien, die am Ende bestimmen sollen, was „Leistung“ und „Qualität“ ausmacht.
In der Projekteszene glaubt niemand, daß es nur um die „Darstellung“ von Leistung geht. Die Worte „Einsparung“ und „Kontrolle“ machen die Runde. Aber der große Zorn bricht nicht aus: „Wir sind grundsätzlich einverstanden mit einem Qualitätsnachweis und vergleichbaren Leistungsstandards“, sagt Rüdiger Schumacher, Geschäftsführer der Bremer Aidshilfe. Der Vorstandsvorsitzende vom Rat und Tat, Michael der Kinderen, sieht es als Herausforderung, „Mindeststandards“ zu erstellen und ohne Gewinn und Verlustausgleich zu wirtschaften. Beide Projekte arbeiten bereits aktiv mit den Behörden zusammen, um entsprechende Standards zur eigenen Leistungsbemessung zu entwickeln. Die Aidsprojekte waren die ersten, die die Fragebögen der Behörde erprobt haben, in denen erfaßt werden soll, wieviel Zeit für welche Tätigkeit draufgeht. „Das war eine übersichtliche Trägergruppe“, erklärt Wolfgang Beyer. Die MitarbeiterInnen der Projekte maulen: „Soviel Verwaltungsaufwand“.
Doch selbst die kooperativen AidsberaterInnen sind unsicher: „Den Klienten muß die Freiheit der Wahl bleiben“. Der schwule Aidskranke soll sich bei allen Bemühungen um Effektivität auch weiter zwischen Rat und Tat oder Aidshilfe entscheiden können. „Sonst bleibt er womöglich ganz weg. Das kann ja nicht das Ziel sein“.
Im Finanzressort beobachtet man die Bemühungen der KollegInnen im Gesundheitsressort derweil mit Wohlwollen: Würde die Leistungszuwendung Raum greifen, könnten Bremens Ausgaben mit denen anderer Städte verglichen werden. Aber noch sei die Effizienz des neuen Systems nicht nachweisbar. Was für Margarine gelte, die Vielfalt der Anbieter, gebe es im sozialen Bereich nicht. Wie könne da um Preis und Leistung verhandelt werden? Der Verwaltungsaufwand dafür sei in der Behörde enorm – und haargenau da liegen auch die Bedenken aus dem Rechnungshof. Wenn man dort auch gegen einen modellhaften Probelauf nichts einwenden würde. ede
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