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Das PortraitEine radikale Art der Verführung

■ Jean Seberg

Wäre sie der amerikanische Profi gewesen, für den sie sich selber hielt, hätte sie die Rolle, die sie zur Ikone der Nouvelle vague machte, vermutlich nie spielen können. So gab in Jean-Luc Godards „Außer Atem“ ein junges Mädchen aus Iowa als Amerikanerin in Paris den durchtriebenen Todesengel. Der Film, ihr Auftritt wurden ein Stück Filmgeschichte. Das Entree in eine neue Epoche. Trotzdem, es blieb ihr einziger Erfolg.

Daß sie – zwischen beruflichem Scheitern und politischem Engagement – die Grenzen von Radical Chic weit hinter sich ließ und eher Che Guevara als Jane Fonda folgte, mag der Grund für das Interesse an ihrer Biographie gewesen sein. Mit seinem fiktiven Biopic „From the Journals of Jean Seberg“ setzte sich Mark Rappaport auf die Spuren ihres unbestrittenen Glamours. Und Carlos Fuentes bewältigte in seinem Roman „Diana oder Die einsame Jägerin“ seine Affäre mit dem Star.

Ende der Sechziger machte Jean Seberg ihr Haus zum Treffpunkt politischer Aktivisten und engagierter Künstler. Mitglieder der Black Panthers fanden bei ihr Unterschlupf und finanzielle Hilfe. Sie wurde zu einer wichtigen Geldgeberin der Panthers und unterstützte vor allem deren karitative Hilfsprogramme für schwarze Familien. Ihr Verhältnis zum bewaffneten Kampf ist bis heute unklar. Sie ließ zu, daß Waffen bei ihr versteckt wurden, und verließ damit den SchauspielerInnen zugewiesenen Platz symbolischer Politik. Der Weg führte geradewegs ins „Counterintelligence program“ des FBI. Die Hysterie des Staatsschutzes resultierte dabei weniger aus der Verletzung des weißen Ehrenkodex im Umgang mit Schwarzen. Die Aktivisten waren vielmehr im Begriff, sich über den Kontakt zur weißen Prominenz in der amerikanischen Mittelschicht Gehör zu verschaffen.

Heute ist Sebergs Akte, von der sie lange Zeit nichts wußte, im Internet abrufbar. Hier findet sich auch die Anweisung, durch gezielte Falschmeldungen an die Presse ihr Image als gute Amerikanerin zu beschädigen. Die Los Angeles Times und Newsweek spielten mit und meldeten, Jean Seberg sei von einem „Panther“ schwanger. Sie erlitt eine Frühgeburt und zog sich nach Europa zurück, wo sie in immer schlechteren Filmen langsam ausbrannte. 1979 nahm sie sich das Leben. Philipp Bühler

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