■ Das Portrait: A. Mussolini
Glaubt man der Presse, muß Italien sich mit einem neuen Alptraum herumschlagen, und der hat einen hübschen Körper, ein noch hübscheres Gesicht – und einen üblen Großvater. Alessandra Mussolini heißt sie, zählt zuverlässigen Angaben zufolge an die 31 Jahre und hat sich in den Kopf gesetzt, Bürgermeisterin von Neapel zu werden. Ihre Partei, die neofaschistische MSI, hat die von Mussolini selbst ausgerufene Kandidatur nur widerwillig hingenommen – die junge Frau läuft den Nachläufern des „Duce“ ständig aus dem Ruder, und schon als man sie fürs Parlament nominiert hatte, war manchem alten Kämpfer gar nicht wohl zumute; schließlich gehören Frauen an den Herd oder ins Bett, nicht aber in die Politik.
Die Enkelin des 1943 gestürzten und umgebrachten Faschistenführers weiß zu gut, daß man sie ihrer persönlichen Ausstrahlung und ihrer Verwandtschaft, nicht aber ihrer politischen Kunst wegen lanciert hat. Doch sie ist zu sehr Schauspielerin – als die sie ein paar Jahre gearbeitet hat; Tante Sophia Loren, ebenfalls mit Mussolinis verwandt, hat Alessandra eingeführt – um hierin nicht eine neue Rolle zu sehen.
Duce-Enkelin will Bürgermeisterin von Neapel werden Foto: Reuter
Neapel hat viel für Komödianten übrig, zudem hat die Stadt ein solides rechtes Ferment; und ein überzeugendes Konzept, wie man die versumpfende Stadt sanieren kann, hat auch keiner. Mussolini hat weder Berührungsängste (sie sucht kommunistische Kneipen auf) noch mangelndes Selbstwertgefühl: „Man kann auch ohne Examen besser sein als die Professoren“, sagt sie, als sie wieder mal ein Intellektueller süffisant auf ihr angebliches Arztdiplom anspricht (es hat sich als gekauft erwiesen).
Schon die Aussicht, daß sie als Frau ihre Partei erstmals in eine Stichwahl für einen Bürgermeisterposten führen könnte, hat Mussolinis Parteichef Gianfranco Fini (48) so in Bedrängnis gebracht, daß er nun selbst in Rom kandidiert. Für Italiens Politikergilde ist „die Mussolini“ tatsächlich ein Alptraum: Ahnungslos hatte die Regierung schon vor einem Jahr beschlossen, den 1994 in Italien fälligen Gipfel der sieben Industrienationen just in Neapel abzuhalten. Die Satirikergilde hingegen freut sich. Panorama veröffentlichte schon eine Fotomontage von US-Präsident Clinton, der eine strahlende Mussolini umarmt. Werner Raith
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen