■ Das Portrait: Irina Antonowa
Mit Auskünften über Privates geizt Irina Antonowa. Ohnehin bleibt die Familie bei wahren Herrscherinnen im Schatten, anders als die Suite. Letztere besteht bei der langjährigen Direktorin des Moskauer Puschkin-Museums und somit Gralshüterin einiger der berühmtesten Kunstwerke aller Zeiten aus ebenso stattlichen und dunkelgekleideten Damen wie sie selbst, die allerdings wesentlich zugänglicher lächeln.
Ganz Moskau läßt sich das gefallen. Denn Antonowa verwaltet das begehrteste Gut dieser Stadt: die Eintrittskarten für die halböffentlichen „Dezember- Abende“. Da werden im „Weißen Saal“ des Museums jedes Jahr legendäre Gemälde einer bestimmten Kunstrichtung ausgestellt. Die passende Musik jener Epoche bieten dann ein paar Abende lang weltberühmte Virtuosen dar. Und weder die ARD-Korrespondentin, die eine Fernsehsendung über das Ereignis konzipiert, noch der neurussische Nabob können auf Antonowas Verständnis zählen. Die pensionierte Klavierlehrerin vom Konservatorium schon eher.
Hütet den Schatz des Priamos Foto: Jürgens Ost und Europaphoto
Der Prozeß der Entscheidungsfindung bleibt aber völlig undurchsichtig. Gerade deshalb erscheint das Resultat der selbsternannten „alten Moskauer Intelligenz“ stets gerecht. Wie jedes Orakel hat die Antonowa kein Alter. Im letzten Interview berichtet sie allerdings, daß sie 1945 – frisch von der Universität – als brandneue Mitarbeiterin des Puschkin-Museums direkt an der Aufnahme „jener Sammlungen“ teilnahm. So bezeichnet sie die aus dem Nachkriegs- Deutschland von den Russen heimgeführten Kunst-Trophäen. Erst in diesem Jahr wurde bekannt, daß dazu auch der sogenannte „Schatz des Priamos“ gehört, den Heinrich Schliemann einst aus den Ruinen des alten Troja ausbuddelte. Während ihr Puschkin-Museum klammheimmlich ein halbes Jahrhundert lang als trojanisches Pferd fungierte, stritt Irina Antonowa dahingehende Verdächtigungen stets hartnäckig ab. Manchmal allerdings ließ sie einen gewissen Einfluß auf die Suche durchblicken: „Gebt uns das Bernsteinzimmer zurück, [das bei Kriegsende aus dem Palast von Zarskoje Silo verschwand, Anm. d. Red.] – dann finden wir euch den Schatz des Priamos.“ Und: „Wir sind niemandem etwas schuldig“, sagte sie, nachdem das Versteckmanöver ans Tageslicht kam. Entmutigend? Auch Drachen haben einmal als Eidechsen angefangen. Barbara Kerneck
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