■ Das Portrait: Hartmut Wrocklage
Ein Finanzbeamter als Polizeisanierer? Ein „Haushälter“ als Speerspitze im Kampf gegen die braune und rassistische Durchseuchung des Stadtstaatsapparats? Wenn die 121 Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft heute nachmittag Hartmut Wrocklage, seit zehn Jahren Staatsrat für Finanzen, mit klarer Mehrheit zum Innensenator küren, schwingt sich ein ebenso unbekannter wie ungewöhnlicher Mann auf den heißesten Politfeuerstuhl, den die Nordmetropole zu vergeben hat.
Der 55jährige, der noch heute von seinen bewegten Zeiten als schleswig-holsteinischer Juso schwärmt, ist ein klammheimlicher Feuerkopf. Überaus medienscheu, wies er jetzt seine Sekretärin an, vor seiner Wahl zum Senator keinen Journalisten durchzustellen: „Sonst sage ich doch nur wieder mehr, als ich will.“ In kleinem Kreis legt sich Wrocklage keine Zügel an. Bei einem Vortrag vor Spitzenfunktionären der ÖTV zeigte er kürzlich nachdrücklich, daß ihn nicht nur die Sorge um die Krise der öffentlichen Finanzen umtreibt: „Nicht durch Konfliktscheu bringt man den Rechtsradikalismus auf Null, sondern allein durch Kampf. Und dazu gehört auch der Kampf mit sich selbst um die bessere Einsicht und um den Willen, aus dieser Einsicht praktische Konsequenzen zu ziehen.“
„Erst mal die Tatsachen leugnen, dann für sich die Konsequenzen zurückweisen und schließlich einen populistischen Brei aus SchuldzuHamburgs neuer InnensenatorFoto: Henning Scholz
weisungen und Scheinlösungen zusammenrühren“ – wenn es etwas gibt, was Wrocklage haßt, dann ist es dieser „Choral der Unzuständigkeit, die Erkennungsmelodie der Politbürokraten“.
Diese nur Insidern bekannten Eigenschaften sind es denn auch, die Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau bewogen, ihn mit der Mission zu betrauen, die Innenbehörde zu sanieren. Voscherau geht mit dem loyalen, aber unbestechlichen Wrocklage durchaus ein Risiko ein. So wird das hochkompetente „Arbeitstier“ Hartmut Wrocklage seinen Feuerwehrjob in der Hamburger Innenbehörde mit knallhartem Engagement und dem erbitterten Willen, den Rechtsradikalismus zu bekämpfen, aufnehmen. Nicht wenige Insider prophezeien freilich schon heute sein Scheitern: In Sachen Polizei unerfahren, kann sich Wrocklage leicht den Kopf einrennen. Aber, wer weiß: Als passionierter Teetrinker verfügt Wrocklage über einen ruhigen Puls, klaren Kopf und stabile Nerven. Florian Marten
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