piwik no script img

■ Das PortraitHermann Ehrich

Er gehöre zu den Menschen, die lieber einen Freund als eine Pointe verlören, so soll sich der Richter Hermann Ehrich einmal selbst beschrieben haben. Von heute an wird der 60jährige als Vorsitzender Richter des zweiten Strafsenats des Oberlandesgerichtes Schleswig den Prozeß gegen die vier mutmaßlichen Brandstifter der Lübecker Synagoge wegen fünffachen versuchten Mordes leiten. Ehrich stand schon einmal im Licht der Öffentlichkeit. Unter seinem Vorsitz hatte der Senat im Dezember 1993 die beiden Mörder von Mölln zu Höchststrafen verurteilt. Bei dem Brandanschlag in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt waren im November 1992 drei Türkinnen ums Leben gekommen. Die Verhandlungsführung Ehrichs war damals von allen Prozeßbeteiligten gelobt worden. Hans-Christian Ströbele, der die Familienangehörigen der Opfer als Nebenkläger vertreten hatte, meinte, eine solche Prozeßführung an der langen Leine hätte er sich für politische Prozesse in der Vergangenheit öfter gewünscht. Ein geflügeltes Wort Ehrichs während der acht Monate langen Verhandlung im Mölln-Prozeß zu Entscheidungen und Beschlüssen war: „Damit sind wir auf der sicheren Seite.“

Seit über zehn Jahren ist Ehrich stellvertretender Vorsitzender in der Prüfungskommission für das Erste Staatsexamen an der juristischen Fakultät der UniversiUrteilt über den Synagogen- Anschlag in LübeckFoto: AP

tät Kiel. Dem gebürtigen Schleswiger geht der Ruf als strenger Prüfer voraus. Er beteuert aber, kein rigoroser Hardliner zu sein: „Ich quäle wahrlich keine Studenten.“

Seit 1984 ist der Familienvater, der seit 37 Jahren verheiratet ist, Vorsitzender des Zweiten Strafsenats am Oberlandesgericht in Schleswig. Seine Karriere innerhalb der Justiz begann Ehrich als Staatsanwalt in Flensburg Anfang der 60er Jahre. Ursprünglich führte Ehrichs Weg nicht in die Arme Justitias, er hätte lieber Mathematik und Naturwissenschaften studiert. Doch die Perspektive reizte ihn nicht. „Lehrer wollte ich auf gar keinen Fall werden.“ Aber noch heute gilt sein Interesse diesen Themen sowie Philosophie und Geschichte. „Ich bin ein Allround-Dilettant“, meint der Jurist schmunzelnd, der „Lob in jeder Dosierung verträgt.“ Zum bevorzugten Lesestoff des „Thomas-Mann-Experten“ gehören unter anderem Bücher des britischen Philosophen Sir Karl Raimund Popper. Ehrich: „Notgedrungen lese ich ab und an auch juristische Werke.“ Kersten Kampe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen