■ Das Portrait: Oscar Luigi Scalfaro
Italiens Staatspräsident Foto: Reuter
Nilde Iotti, Vorzeige-Staatsfrau der Ex-Kommunisten, war entsetzt, als ihre Partei 1992 auf den Mann als Kandidaten fürs höchste Staatsamt einschwenkte: „Der Kerl ist doch ein Erzreaktionär.“ Aber auch seine eigenen Parteifreunde – die Christdemokraten – waren nicht glücklich über seine Wahl, hatte der Mann doch kurz zuvor einen vernichtenden Bericht über die gigantischen Unterschlagungen von Erdbeben- Hilfsgelder durch Parteifreund De Mita und dessen Clique angefertigt.
Oscar Luigi Scalfaro, Jahrgang 1918, war ein Kompromißkandidat. Mehr als 15 Jahre werkelte der Jurist und ehemalige Staatsanwalt (er „regulierte“ nach dem 2.Weltkrieg einige Kriegsverbrecherprozesse im Sinne der „nationalen Versöhnung“) als Staatssekretär und Minister in den verschiedensten Ressorts dahin, bis er dann 1983 in der ersten Regierung des Sozialisten Craxi überraschend Innenminister wurde. Dazu hatte sich der als radikal konservativ verschriene Jurist mit einer inzwischen zur Legende gewordenen Tat qualifiziert: Als Neofaschisten dem wegen Terrorismusverdacht angeklagten linksradikalen Politologen Toni Negri nach seiner Wahl ins Parlament den Eintritt in den Sitzungssaal versperrten, ließ Scalfaro als Sitzungspräsident die rechten Raubauken mit dem Ruf „Solange ich hier walte, kommt jeder frei Gewählte hier herein“ hinauswerfen.
Daß seine Wahl zum Präsidenten durch das kollektive Entsetzen über den Mord an Mafia-Ermittler Falcone befördert wurde und zu Beginn seiner ersten Amtszeit auch noch der Falcone-Nachfolger Borsellino bei einem Anschlag umkam, hat Scalfaro wohl noch einmal stark beeinflußt. Seither versucht er das Image eines „anständigen Italien“ zu vermitteln. Er legte sich mit allen an, die seiner Ansicht nach demokratische Rechte aushöhlen, Gleichgewichte innerhalb der Institutionen verschieben, Privatinteressen vor die der Gemeinschaft stellen. So schützte er immer wieder die Ermittler der Antikorruptions-Kommissionen gegen Anwürfe der Korrupten, zog aber profilierungssüchtigen Staatsanwälten ebenso die Ohren lang wie sensationshungrigen Journalisten. Zeitweise freilich stand er selbst im Verdacht, er habe als Innenminister kräftig bei Unterschlagungen mitgeholfen. Berlusconi hat er von Anfang an zu verhindern versucht – derart massiv, daß er von einigen Mitgliedern der Regierung als Komplottschmied verdächtigt wurde. Seinem Image hat das nur gutgetan. Werner Raith
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