Das Portrait: Der Unbekannte
■ Hubertus Schmoldt
Wer zum Teufel ist Hubertus Schmoldt? Ab morgen voraussichtlich zum Vorsitzenden der IG Chemie, der drittgrößten Einzelgewerkschaft im DGB, gewählt. Bisher aber ist Schmoldt eher ein Unbekannter, und genau diese Art von Führungswechsel ist symptomatisch für die Chemie-Gewerkschaft. Das eigentliche Ereignis ist der Abgang des 65jährigen Alt- Chefs Hermann Rappe, 13 Jahre lang Verfechter einer „Sozialpartnerschaft“ zwischen den Tarifparteien, eine Ikone der Gewerkschaftsbewegung.
Schmoldts bevorstehender Amtsantritt sorgte bisher nur für wenig Medienresonanz, hat er doch schon angekündigt, den pragmatischen Kurs seines Vorgängers fortzusetzen. Dennoch tritt mit Schmoldt nicht einfach nur ein Jüngerer an die IG-Chemie-Spitze.
Kommender Chef der IG- Chemie: Hubertus Schmoldt Foto: Bayer
Der 50jährige Schmoldt lernte Maschinenschlosser und studierte an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik. Er gilt im Gegensatz zu Rappe als „Managertyp". Er dürfte den Kurs einer betriebsbezogenen Gewerkschaftspolitik verstärkt fahren. 1963 trat Schmoldt in die Gewerkschaft ein, nach der üblichen Ochsentour als Sekretär und Bezirkschef wurde er 1988 Mitglied des Hauptvorstands der IG Chemie, zuständig für die Bereiche Betriebsräte und Mitbestimmung.
Schmoldt hat angekündigt, die Gewerkschaftsarbeit stärker auch für die nicht organisierten Arbeitnehmer öffnen zu wollen. Die Betriebsräte müßten alle interessierten Beschäftigten an „Qualitätszirkeln“ beteiligen und sich auch den „Kopf der Unternehmensleitung“ zerbrechen. Größere Flexibilität der Beschäftigten ist für Schmoldt unabdingbar, um den Standort Deutschland zu sichern.
In Sachen Flexibilität war seine Gewerkschaft schon wegweisend. Es existieren seit vergangenem Jahr Tarifverträge über Arbeitszeitkorridore und niedrigere Einstiegsgehälter für Arbeitslose und Auszubildende. Vorgänger Rappe zeigte sich zumindest offen gegenüber der Samstagsarbeit – Schmoldt wird diesen Weg weitergehen.
Ein neuer Gewerkschaftschef also, der nicht nur Lohnpolitik betreibt, sondern auch bei „intelligenterer“ Arbeitsorganisation und neuen Produktfeldern mitreden will. Vielleicht ist das der Gewerkschaftschef der Zukunft. Er wird natürlich auch Unbehagen bei jenen erzeugen, denen klarere Fronten lieber wären. Barbara Dribbusch
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