Das Portrait: Der Verrufene
■ Anton Schlecker
Was Anton Schlecker für ein Mensch ist, darüber gibt es immerhin ein paar Gerüchte. Eine Art Märtyrerlegende baue er auf, munkeln Untergebene des Drogerie-Königs. Der Schwabe mit dem Holzpuppengesicht fühle sich besonders von der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) verfolgt und hänge einer äußerst strengen Arbeitsmoral an. Jetzt wird das unfreundliche Bild Schleckers erneut bestätigt. Der 51jährige und seine Ehefrau Christa, Leiter eines europaweiten Drogerienetzes mit 5.800 Filialen und 25.000 Beschäftigten, sind angeklagt wegen gemeinschaftlichen vollendeten und versuchten Betruges in 800 Fällen, begangen in den Jahren 1993 und 1994.
Den Eheleuten wird vorgeworfen, die Löhne in den Filialen an den Umsätzen und nicht an den Tarifverträgen ausgerichtet zu haben. Dabei wollten Anton und Christa eigentlich schon längst bessere Menschen werden. Nach einer erfolgreichen Kampagne der Gewerkschaft HBV werden Schlecker-VerkäuferInnen seit diesem Jahr tariflich bezahlt. Außerdem stimmte Schlecker einem Tarifvertrag über Betriebsratswahlen zu. Der Selfmademan gelobte Anfang dieses Jahres in einem Zeitschrifteninterview, „jeder unserer 400 Bezirksleiter wird nur noch mit dem Tarifvertrag unter dem Arm herumlaufen“. Doch jetzt muß Schlecker noch für die Sünden der Vergangenheit bezahlen.
Damit triumphiert am Ende die Gewerkschaft HBV, die schon seit mehr als zwei Jahren gegen den Unternehmer zu Felde zieht. Nicht nur untertarifliche Löhne, auch die Streichung von Zuschlägen, Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gehörten bei Schlecker zum guten Geschäft. Der Unternehmer verweigerte Telefonanschlüsse in den Discount- Märkten. Nach dem Mord an einer Verkäuferin thematisierte die Presse die unzureichenden Sicherheitsstandards. 1994 kam Schlecker wieder in die Schlagzeilen, weil sich zuviel Pestizide in seiner Billigbabynahrung fanden.
Der gelernte Metzgermeister und seine Ehefrau, gelernte Fremdsprachenkorrespondentin, mußten die Härten des Lebens aber auch am eigenen Leib und Geldbeutel Drogerie-Unternehmer Anton SchleckerFoto: AP
spüren. Am Weihnachtsvorabend im Jahre 1987 verhandelte Schlecker mit Kidnappern, die seine beiden Kinder kurzzeitig entführt hatten. Schlecker zahlte fast zehn Millionen. Die Kinder kamen frei. Geld und Täter blieben verschwunden. Barbara Dribbusch
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