Das Portrait: Mythos Palme
■ Olof Palme
Vor zehn Jahren ermordet: Schwedens Premier Olof Palme Foto: AP
Das Bemühen um eine Gesellschaft, in der das Wort von der Gleichheit der Menschen nicht nur leeres Gerede ist – das stand im Zentrum des Denkens des Sozialdemokraten Olof Palme. Es formte wesentlich sein innen- und außenpolitisches Handeln.
Auch zehn Jahre nach seinem Tod am 28. Februar 1986 dominiert sein internationalistisches Engagement das öffentliche Palme-Bild. Auf privater wie politischer Ebene: Als junger Student geht er eine Scheinehe mit einer Tschechin ein, um dieser die Ausreise zu ermöglichen. Als Minister protestiert Palme in erster Reihe gegen den Vietnamkrieg. Als Regierungschef stellt er Menschenrechtsverletzungen der USA in eine Reihe mit Verbrechen Hitlers und Stalins.
Als Palme seine innenpolitische Laufbahn 1953 als politischer Sekretär und bald engster Vertrauter von Premier Tage Erlander begann, war Schweden ein im westeuropäischen Maßstab recht durchschnittlicher Sozialstaat, der seinen BewohnerInnen nicht mehr als die normale Grundversorgung sicherte. Bei seinem Tod 1986 war es ein sozialstaatliches Musterland, „schwedisches Modell“, mit einem Sozialnetz und einem öffentlichen Sektor von Weltspitze.
Nirgendswo anders flossen 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in öffentliche Auf- und Ausgaben. Trotzdem gab es ständige Konflikte mit den Gewerkschaften, denen die versprochene gesamtgesellschaftliche Vermögensumverteilung zu langsam ging. Die Atomkraftfrage drohte seine Partei zu spalten. Trotz der engen Bindung Schwedens an die Nato gab es immer wieder Vorwürfe, er verhandle „unter der Decke“ mit Moskau.
Palmes „Musterstaat“ hatte gefährliche Dunkelstellen. Eine Bürokratie, die sich immer mehr verselbständigte, ein Parteiapparat, der immer mehr nur nach an eigener Machterhaltung interessiert war und eine Geheimpolizei, die Staat im Staate und unkontrollierbar geworden war.
Am 30. Januar diesen Jahres wäre Olof Palme 69 Jahre alt geworden. Die Wahlen 1988 hätte er vermutlich verloren – schon zur Zeit des Attentats war die Popularität seiner Partei tief abgerutscht. Er hätte zusehen müssen, wie der „Wohlfahrtsstaat“ unfinanzierbar wurde und in Trümmer ging. Statt eines gescheiterten Politikers haben die Todesschüsse ihn zum Mythos gemacht: Nichts dürfte den Attentäter und mögliche Drahtzieher mehr ärgern. Reinhard Wolff
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