Das Portrait: Grübchen
■ Claudette Colbert Claudette Colbert war der „Frenchie“ unter den Komikern der dreißiger und vierziger Jahre. Mit mehr Delikatesse als Jean Harlow und
sehr viel mehr Witz als die Garbo (was zugegebenermaßen auch nicht so schwer ist) war sie die Sturmtruppe der Screwball-Comedy, als diese auf ihrem Höhepunkt war. Mit Clark Gable im Heu in Frank Capras „It happened one night“ (1934) war sie mindestens ebenso schlagfertig wie in Lubitschs „The smiling Lieutenant“ (1931), und damals verstand man unter „schlagfertig“ noch nicht Katja Riemann. Colbert, Hepburn, Lombard kultivierten einen Typ Frau, der durch den Weltkrieg begünstigt wurde: sexy, zuverlässig, gewieft. Nach dem Krieg war ihr Stern ein bißchen untergegangen (wenn man mal von einem allerdings groß gefeierten Fernsehauftritt in „The Two Mrs. Greenvilles“ absieht). Am Dienstag starb Claudette Colbert im Alter von 91 Jahren.
Als Claudette Lily Chauchoin in Paris geboren, hatte sie zunächst überhaupt nicht die Absicht, zum Film zu gehen; vielmehr zog es sie, wie man ihr ansah, in die Modebranche. Es ist typisch für sie, daß sie auf einer Party in Santa Barbara entdeckt wurde, ein Gläschen in der Hand, ein Scherzchen zwischen den Grübchen. Ihr Französisch kam natürlich sehr günstig: In den dreißiger Jahren konnte sie ihre Filme gleich in englischen und französischen Versionen drehen. So ganz genau weiß man nicht, warum diese Art von Witz nur etwa zehn bis fünfzehn Jahre filmfähig war: vor den verklemmten Kalauern der Fifties gab es diese städtischen, sexy Divertissementchen zwischen Männern und Frauen, von denen ganze Ehen lebten und, behaupte ich, auch der Einsatz amerikanischer Sodaten gegen Hi- hi-Hitler.
Daß hier kein falscher Eindruck entsteht: die Colbert war nicht nur niedlich. In der Abteilung Drama konnte ihr auch niemand was vormachen: Im selben Jahr, in dem sie „It happened one night“ drehte, war sie Cecil B. DeMilles Cleopatra und trat in Douglas Sirks fantastischem Melodrama „Imitation of Life“ auf. Auch vierzig Jahre später nahm sie den Broadway für sich ein – Charme ist eben zäh.
Offenbar hat es sie nicht gestört, daß man nicht mehr viel von ihr hörte. Ein Haus auf Barbados, alte Freunde drum herum: so soll es im Himmel weitergehen. Mariam Niroumand
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