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Das PortraitMann fürs Feine

■ Peter Sichrovsky

Die Wiener Öffentlichkeit staunt. Und Jörg Haider, der rechtspopulistische Chef der „Freiheitlichen Partei“ freut sich. Denn ihm ist wieder einmal ein Überraschungscoup gelungen. Dessen Name: Peter Sichrovsky. Der wird einen der beiden Spitzenplätze der Freiheitlichen bei der Wahl zum Europaparlament am 13. Oktober einnehmen. Er soll Haiders Rabaukenverein Glamour und einen Hauch von Weltoffenheit verleihen.

Denn erstens ist Sichrovsky Jude, und ein solcher macht sich gut in der ersten Reihe einer Partei, deren Jugendverband gerade wieder in den Schlagzeilen ist, weil Mitglieder als Schänder jüdischer Gräber enttarnt worden sind. Zweitens ist Sichrovsky ein jüdischer Autor, also einer, der zeitlebens sein Judentum im allgemeinen, die Auseinandersetzung mit dem Holocaust im besonderen zum Thema seiner Publizistik gemacht hat: Sein Buch über die Kinder der Täter – „Schuldig geboren“ – wurde auch hierzulande verkauft. Als Journalist arbeitete er schließlich gelegentlich für die Zeit und für profil, bis er Ende der achtziger Jahre den Wiener Standard mitbegründete. Dann weilte er als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Neu Delhi, später für den Stern in Hongkong. Was will so einer bei Jörg Haider?

„Mir gefällt“, sagt Sichrovsky über den FPÖ- Chef, „die Konsequenz, mit der er versucht, die Strukturen in diesem Land in Frage zu stellen.“ Von der FPÖ- Kulturpolitik grenzt er sich ebenso ab wie von der Ausländerfeindlichkeit. Und was die notorische Relativierung der NS-Geschichte Österreichs anlangt, sagt er, sei er „sehr empfindlich“. Beitreten wolle er der Partei – „nein, um Gottes Willen“ – nicht. Haider kann solche Distanz lächelnd ertragen. Denn mit dem 49jährigen Sichrovsky ist es ihm erstmals gelungen, einen anerkannten liberalen „Quereinsteiger“ herüberzuholen.

In der Wiener jüdischen Gemeinde ist man über den Schwenk ihres prominenten Mitglieds entsetzt. Sichrovsky, der offenbar von seinem neuen Chef Jörg Haider schnell gelernt hat, reagiert trotzig: Die Gemeinde solle sich „lieber um den Bauzustand ihrer Kindergärten kümmern als um die politische Entscheidung eines ihrer Mitglieder“. Robert Misik

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