Das Portrait: Belgiens Volksheld – ein Ermittler
■ Jean-Marc Connerotte
Seit das höchste belgische Gericht den Untersuchungsrichter Jean-Marc Connerotte im Fall Dutroux für befangen erklärte, gilt der 48jährige Provinzrichter endgültig als der letzte Aufrechte in einem verkommenen Justizapparat. „Wer soll jetzt noch Vertrauen in das Gericht haben“, klagte Pol Marchal, der Vater der ermordeten An. Und, wie die Proteste zeigen, nicht nur er.
Der neue belgische Volksheld ist ein zurückhaltender, fast schüchterner Jurist aus Neufchateau, einem kleinen Ort im Süden Belgiens. Seinen Namen kennt jedes Kind, doch kaum jemand kennt seine Stimme. „Der edle Ritter“, wie ihn die Zeitungen pathetisch nennen, meidet die Öffentlichkeit. Wenn es etwas zu sagen gibt, schickt er seinen Staatsanwalt Michel Bourlet vor.
Connerotte ist in Neufchateau geboren, hat Literatur und Jura studiert, arbeitete eine Zeitlang als Lehrer, bevor er vor zehn Jahren Untersuchungsrichter in Neufchateau wurde. Zur selben Zeit, das ist nicht unwichtig, kam Michel Bourlet als Staatsanwalt nach Neufchateau. Bourlet kam aus Lüttich, wo die herrschenden Sozialisten ihm als Liberalen den Aufstieg verbauten.
Seitdem arbeiten Connerotte und Bourlet eng zusammen. Zusammen haben sie gegen die Mörder des sozalistischen Parteichefs André Cools ermittelt, bis ihnen der Fall aus Lüttich abgenommen wurde – wo er dann versickerte.
Als Anfang August die 14jährige Laetitia entführt wird, hat sie das Glück, aus Bertrix zu stammen. Connerotte und Bourlet sind zuständig. Sie leiten eine Großfahndung ein und kommen in weniger als einer Woche dem einschlägig vorbestraften Marc Dutroux auf die Spur. In seinem Keller finden sie Laetitia und die ebenfalls vermißte Sabine Dardenne, lebend. Vier weitere Kinder werden tot im Garten ausgegraben.
Doch dabei kommt auch ans Licht, daß die Justiz nicht nur geschlampt hat. Dutroux hatte Freunde in hohen Positionen, die die Ermittlungen behinderten und möglicherweise in Kinderprostitution verstrickt sind. Seit Connerotte der Fall entzogen wurde, glauben noch mehr Belgier, daß Politik und Justiz etwas zu verstecken haben. Der Kassationshof hat Connerotte für befangen erklärt, weil er mit den Eltern der ermordeten Kinder Spaghetti gegessen hat. Alois Berger, Brüssel
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