Das Portrait: Jetzt müssen Oma und Opa melken
■ Eckhard Tietke
Wenn der Castor kommt, kann Eckhard Tietke nichts mehr essen. Den kräftigen Mann regen die tagelangen Demonstrationen, Blockaden und die kreisenden Polizeihubschrauber auch nach über 20 Jahren im Widerstand auf. Manchmal möchte Tietke (44) nicht mehr hingehen. Aber dann setzt er sich doch auf seinen Trecker und blockiert die Straße zum Zwischenlager Gorleben. Denn „wenn es Aktionen gibt, hält mich nichts mehr auf dem Hof“.
Nur noch um seine Biolandkartoffeln wird er sich erst kümmern, wenn der Atommüll nicht mehr ins Wendland kommt. „Von uns gibt keiner mehr auf. Dafür wissen wir zuviel“, sagt Tietke über sich und seine Kollegen von der Bäuerlichen Notgemeinschaft, einem losen Zusammenschluß wendländischer Bauern, die gegen das Zwischenlager in Gorleben sind. Dabei hat Tietke auf dem Biohof in Groß Breese genug zu tun. Kommt der Castor zu einer ungünstigen Jahreszeit, „müssen Oma und Opa wieder melken und füttern“. Am Anfang haben sie noch gemeckert, wenn ihr einziger Sohn und Hoferbe alles stehen und liegen ließ, um mit der Bäuerlichen Notgemeinschaft unterwegs zu sein. Sitzblockaden fanden die Alten verwerflich. Jetzt stellt sich Tietkes Mutter mit über 70 Jahren selbst den Polizisten in den Weg.
Ebenso wie Tietkes Frau Monika. Die war vor vielen Jahren aus Hannover nach Gorleben gekommen, um zu demonstrieren. Nach der Demo hat sie Eckhard Tietke kennengelernt und ist geblieben. Sie hat ihn überzeugt, Biobauer zu werden. Sie könnten schließlich nicht gegen den Castor zu Felde ziehen und selber Gift auf den Acker spritzen. Unter „erheblichen Mühen“ haben sie den Hof auf biologischen Landbau umgestellt.
„Ich bin nicht radikaler geworden“, sagt Tietke von sich. Wütender allerdings schon. Aber mit Gewalt hat er nichts am Hut: „Mit unserer Gewaltfreiheit haben wir viel mehr erreicht, davor haben die Regierenden die meiste Angst.“ In der Bäuerlichen Notgemeinschaft fühlt sich Eckhard Tietke mit seinen Kollegen verbunden. Manchmal werde gar nicht viel geredet, aber „dann gibt es einen Anruf, und los geht's“.
Aus: „Unruhiges Hinterland. Portraits aus dem Widerstand im Wendland“. Hg. von Kirsten Alers, Philip Banse und der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg
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