Das Portrait: Der Lotse aus den Bergen
■ Roger de Weck
Roger de Weck, 44, designierter Chefredakteur der „Zeit“ Foto: Süddeutscher Verlag
„Der will doch in den diplomatischen Dienst“, hatte sich Zeit-Chefredakteur Robert Leicht noch Mut gemacht, als er hörte, daß ihn Roger de Weck beerben solle. Aber so sind sie, die Diplomaten. Erst ganz freundlich, und plötzlich sitzen sie auf deinem Stuhl. Vom 1.9. an wird de Weck neuer Chefredakteur der Zeit.
Da war er schon mal. Von 1983 bis 1992 arbeitete er erst als Pariser Korrespondent, dann als Ressortleiter Wirtschaft für die Hamburger Wochenzeitung. Als er dann vor fünf Jahren als Chefredakteur zum Züricher Tages- Anzeiger wechselte, galt er vielen als der richtige Mann, um aus dem Regionalblatt eine „nationale Stimme“ zu formen. Dafür wurde die Redaktion um 40 auf 220 Stellen aufgestockt, neue Rubriken wie das „Dossier“ oder „PCTip“ wurden eingeführt und die ambitionierte Jugendbeilage Ernst entwickelt. Sogar eine neu eingerichtete Schriftstellerstelle wurde besetzt – galt es doch, einen „Kulturwandel“ einzuläuten.
Den wollte zunächst auch die Geschäftsführung, doch als der avisierte Sprung über die Schwelle von 300.000 Exemplaren ausblieb, kamen den Eignern erste Zweifel. Setzte da etwa ein Schöngeist die netten Gewinne der Verlagsgruppe TA-Media (SonntagsZeitung, Facts) aufs Spiel? Als der Verlag ein neues Sparprogramm entwickelte, packte de Weck lieber die Koffer: „Die Grenze sehe ich dort, wo das Blatt meinem Anspruch nicht länger gerecht werden könnte“, ließ der „Chefredaktor“ die traurigen „Tagi“-Leser zum Abschied wissen. Und der Schriftsteller Adolf Muschg schniefte: „Der Lotse geht von Bord.“
In einen anderen Hafen, wo er aber auch gut hinpaßt. Mit dem Gestus angeborener Großbürgerlichkeit (Bankiersfamilie!), der höflichen Art und der analytischen Intellektualität, die viele Kollegen an ihm schätzen, fällt er in Hamburg gar nicht auf. Zudem ein kluger Kopf, der sich selbst für Techno erwärmen kann. Schon seiner Tochter wegen. Zeit, nun freue dich!
Gemach. Denn der studierte Wirtschaftswissenschaftler aus dem Kanton Freiburg kann wohl auch ein bißchen anderes: Sich durchsetzen nämlich, weshalb unter seiner autoritären Ägide einige bekannte Journalisten den Tages-Anzeiger verließen. Aber auch das könnte der Zeit ja nur nützen. Oliver Gehrs
Siehe auch Seite 14
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