Das Portrait: Globaler Mafiajäger aus Italien
■ Pino Arlacchi
Als blutjunger Ordinarius, mit kaum 28 Jahren, gehörte er schon zu jener Handvoll Professoren, die Italien vor allem über eine Entzauberung ihrer liebgewordenen oder auch erschröcklichen Legenden zu reformieren suchten – vor allem wollte er der Mafia die Fama einer „sozialregulativen“ Organisation nehmen. Das ist bis heute die selbstgestellte Lebensaufgabe Pino Arlacchis, der er nun als Chefbeauftragter der Vereinten Nationen für den Kampf gegen Drogen und organisierte Kriminalität auf allerhöchster Ebene nachgehen kann.
Geboren 1951 in Gioia Tauro, einem der übelsten Nester der kalabresischen Mafia, war die dortige „Ehrenwerte Gesellschaft“ sein erstes Studienziel: 1983 erschien „La Mafia impreditrice. L'etica mafiosa e lo spirito del capitalismo“ (dt. 1989 „Mafiose Ethik und der Geist des Kapitalismus“, Cooperative Frankfurt), bis heute sein wichtigstes Werk, in dem er aufgrund empirischer Forschungen die Mafia als skrupellose Krönung kapitalistisch-anarchistischer Gesellschaftsorganisation darstellt. Ein Durchbruch, weil mit dieser Interpretation der Mafia auch die vielfachen Verflechtungen des organisiert- kriminellen Untergrunds mit der „normalen“ Unternehmerschaft und der Politik erklärt werden konnten.
Anfang der 90er Jahre berief ihn der damalige Innenminister zur Schaffung einer Art italienischem FBI – eine Sondereinheit aus gut 1.500 hochspezialisierten Ermittlern, denen bis heute der Großteil der Festnahmen hochrangiger Mafiosi und Camorristen zu verdanken ist.
1994 ließ Arlacchi sich ins Parlament wählen, seit 1996 sitzt er für die regierende „Olivenbaum“-Koalition im Senat, und es galt als unstreitig, daß er Vorsitzender der Antimafia-Kommission werden würde. Doch dann spielte die große Politik üble Streiche: Weil Arlacchis Parteichef Massimo D'Alema sich mit Oppositionsführer Silvio Berlusconi über die Einrichtung einer Verfassungsreformkommission einigen wollte, ließ er den von Berlusconi gehaßten Arlacchi fallen.
Enttäuscht zog sich Arlacchi zurück. Nun wird er wohl wieder in alter Manier seinem Lebensziel nachjagen – und vermutlich auch seinen Italienern bald neue böse Erkenntnisse über die Verwicklungen ihrer Führungselite mit der Mafia präsentieren. Werner Raith, Rom
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