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Das PortraitPolarisierend, weiblich, links

■ Ursula Koch

Ein „intergalaktisches Wunder“ sei ihre Wahl zur neuen Vorsitzenden der Schweizer Sozialdemokratischen Partei (SPS), befand die 56jährige Ursula Koch. Am Samstag hatte sich die Zürcher Stadträtin auf dem Parteitag in Thun in einer Kampfabstimmung klar gegen ihren Konkurrenten Andrea Hämmerle durchsetzen können. Damit ist nach Fraktionsvorsitz, Generalsekretariat und Vizepräsidentschaft nun auch das höchste Parteiamt mit einer Frau besetzt.

Ursula Koch gilt als Parteilinke. Aufgewachsen in Stäfa am Zürichsee, besuchte sie in Zürich das Lehrerseminar, studierte Naturwissenschaften und schloß mit einem Doktorat in Chemie ab. 1972 trat sie der Sozialdemokratie bei, war von 1976 bis 1979 Sekretärin der Kantonalzürcher Partei, arbeitete dann bis 1986 als Geschäftsführerin der Schweizerischen Energiestiftung, die in der Anti-Atomkraft-Bewegung engagiert war. Zur gleichen Zeit gehörte sie für die SPS dem Zürcher Kantonsrat an, wurde 1986 in die Stadtzürcher Exekutive gewählt und leitet seitdem das städtische Hochbaudepartement.

In dem fragilen System der Schweizer Regierungsbildung – die vier großen Parteien teilen sich die sieben Kabinettssitze im Bundesrat untereinander auf – gilt Koch als polarisierend. So hat sie in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung bereits angekündigt, die SPS unter ihrer Führung werde gleichzeitig Oppositions- und Regierungsarbeit machen, „wenn zum Beispiel Vorlagen verabschiedet werden, die den Sozialabbau fodern, oder Vorlagen, die die wirtschaftliche Situation noch zusätzlich verschlechtern, so sind wir zur Opposition gegen eine solche Politik bereit, welche sich gegen das Volk richtet.“

Anders als ihr Konkurrent Hämmerle, der sich vor allem als Pragmatiker den Delegierten präsentierte, will Ursula Koch die Partei in eine Grundsatzdebatte über das Selbstverständnis sozialdemokratischer Politik führen, hält eine neue Grundwertediskussion für notwendig.

In Sachfragen zeigt die neue Chefin sich traditionell linkssozialdemokratisch: sparen im Bundeshaushalt ja, aber nicht durch Sozialabbau, die Binnennachfrage soll durch ein Ende des Lohnabbaus angekurbelt werden, der ökologische Umbau der Wirtschaft voranbracht und zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit die Arbeitszeiten weiter verkürzt werden. Bernd Pickert

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