Das Portrait: Minister mit Hang zur Selbstkritik
■ Andrei Plesu
Andrei Plesu besitzt etwas, das vielen anderen rumänischen Intellektuellen abgeht: eine Kultur des Zweifels und der (Selbst-)Kritik. Als er 1991 von seinem Amt als Kulturminister zurücktrat, bekannte er: „Ich war kein guter Kulturminister.“ Dabei hätte Plesu seine Amtszeit auch anders resümieren können. Er hätte sich darauf berufen können, daß der damalige, autoritäre und reformfeindliche Staatspräsident Ion Iliescu seine Person und seine Tätigkeit mißbilligte.
Plesu, Kulturkritiker und Philosoph, hat seitdem mehrmals auch schmerzhafte Wahrheiten über Freunde und Weggefährten ausgesprochen und sich damit deren Unmut zugezogen. Die Qualität als glaubwürdige Persönlichkeit und als eines unter der Diktatur nicht kompromittierten Intellektuellen hat Plesu nun eine erneute Berufung in ein Ministeramt eingetragen: Er ist seit gestern Rumäniens neuer Außenminister.
Wie er nun Aufrichtigkeit ausgerechnet in einem diplomatischen Amt nutzen wird, darf mit Spannung abgewartet werden. Geboren 1948, studierte Plesu Kunstgeschichte und arbeitete bis 1989 am Kunstgeschichtlichen Institut in Bukarest. In den siebziger und achtziger Jahren gehörte er zeitweise zum Umfeld des antiwestlichen Ethno-Philosophen Constantin Noica, der sich aus Verachtung vor den Niederungen der Ceaușescu-Diktatur in ein Karpatendorf zurückgezogen hatte.
Anders als Noica zählte Plesu zu jenen Intellektuellen, die für eine Öffnung Rumäniens nach Europa und für einen kulturellen Austausch mit dem Westen plädierten. Nach dem Sturz Ceaușescus im Dezember 1989 wurde Plesu Kulturminister der ersten postkommunistischen Regierung und eines der liberalen Aushängeschilder Rumäniens. Seit 1992 lehrte er Philosophie an der Bukarester Universität und stand dem „Kollegium Neues Europa“ vor, das einen Kulturaustausch mit europäischen Ländern organisierte.
Als Außenminister will Andrei Plesu Mitarbeiter seiner Behörde entlassen. Gefeuert werden sollen kompromittierte Personen, von denen das rumänische Außenministerium – als eine ehemalige Hochburg des Geheimdienstes Securitate – noch immer voll ist. Auch strenge eigene Anforderungen hat sich Plesu gesetzt: Sollte sich zeigen, daß er das ihm fehlende diplomatische Wissen nicht schnell erwerben könne, werde er wieder zurücktreten. Keno Verseck
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