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Das PortraitSozialist an der Seite des Königs

■ Abderahman Jussufi

Manchmal nimmt das Leben seltsame Wendungen. Das erleben auch Marokkos Sozialisten. Ihr Parteichef, Abderahman Jussufi, bis vor wenigen Jahren von König Hassan II. verfolgt, wurde gestern von eben diesem Monarchen zum Regierungschef ernannt. Der 74jährige Anwalt ist der erste Linke an der Regierungsspitze des nordafrikanischen Landes.

Aus den Parlamentswahlen im November ging seine Partei, die Union der Sozialistischen Volkskräfte (USFP), mit 17,5 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft hervor. Hassan II. gab bereits vor dem Urnengang bekannt, daß er gewillt sei, einen Wechsel der Regierung von den monarchistischen Rechtsparteien hin zur Linken zuzulassen. „Wir haben das Wort des Königs“, sagte Jussufi immer wieder und leitete in den letzten Jahren eine Annährung seiner Partei an das Königshaus ein. Trotz Widerständen in den eigenen – meist republikanisch gesinnten – Reihen rief der USFP-Chef 1996 die Wähler dazu auf, einer königlichen Verfassungsreform – und der damit verbundenen zaghaften Demokratisierung des Landes – zuzustimmen.

Das Leben des 1924 in der nordmarokkanischen Hafenstadt Tanger geborenen Jussufi ist so bewegt wie die jüngere Geschichte seines Landes. Mit 19 trat er der nationalistischen Istiqlal-Partei bei, die für die Unabhängigkeit Marokkos eintrat. Schon bald schloß er sich der Nationalen Befreiungsarmee an und stellte sich den französischen Kolonialherren bewaffnet entgegen. 1959, drei Jahre nach der Unabhängigkeit, spalteten sich eine Gruppe von jungen Sozialisten von der Istiqlal ab. Unter ihnen Jussufi, der so zu einem der meistgehaßten Männer am Hofe Hassan II. wurde. Noch im gleichen Jahr wurde Jussufi in seiner Funktion als Herausgeber der Parteizeitung at-Tahrir (Die Befreiung) zum ersten Mal verhaftet. 1963 verbüßte er eine Haftstrafe wegen „Konspiration gegen die Monarchie“. Als sein politischer Ziehvater, der damalige sozialistische Parteichef Ben Barka, 1965 in Paris vom marokkanischen Geheimdienst ermordet wurde, forderte Jussufi Gerechtigkeit vor französischen Gerichten. 15 Jahre Exil und eine Verurteilung zum Tode in Abwesenheit kostete ihn dieses Engagement. 1980 begnadigte Hassan II. den mittlerweile zum Chef der USFP Gewählten. Jetzt läßt er ihn sogar regieren. Reiner Wandler

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