piwik no script img

Das PortraitDie Schöne vor dem wilden Biest

■ Cristina Sánchez

„Ich wollte nicht enden wie viele Frauen in Spanien. Im Büro rumsitzen oder zu Hause Kinder großziehen“, sagt Cristina Sánchez. Seit gestern darf sich die 25jährige Madrilenin „erster weiblicher Torero“ nennen. Die feminine Form, torera, gefällt ihr nicht, „denn der Stier unterscheidet nicht zwischen den Geschlechtern“.

Gestern präsentierte sich die gelernte Friseuse in der Arena Las Ventas in der spanischen Hauptstadt. Nur wer vor dem kritischen Publikum der „Kathedrale des Stierkampfes“ besteht, darf den Titel matador führen, auch wenn er ihn bereits zuvor auf einem zweitklassigen Platz erstritten hat. Cristina Sánchez gelang diese alternativa vor zwei Jahren in Nimes. Über 400mal stand Sánchez seitdem vor einem Stier. Angst habe sie jedesmal, gesteht sie.

Sánchez kommt aus einer der ärmsten Vorstädte Madrids. Als Tochter eines bandilleros – des Mannes, der die bunten Spieße in den Nacken des Stieres stößt – wuchs sie im Schatten der Arena heran. Mit 14 beschloß sie, auf eine der bekanntesten Stierkampfschulen Madrids zu gehen. Vater Antonio versuchte es ihr auszureden. Vergebens.

Auch wenn einige große Stierkampfkritiker dem „weiblichen Torero“ zu wenig Kraft vorhalten – das Publikum ist begeistert. In Madrid, Sevilla oder Mexiko- Stadt forderte das Publikum, das die Anfängerin erlebte, immer wieder die Ohren des getöteten Stiers als Trophäe für Sánchez. Mehrmals ging für sie das große Tor der Arena auf: der größte Triumph im faszinierenden Spiel mit der Gefahr.

Cristina Sánchez hat einfach alles, was die südländische Männerwelt in Begeisterung versetzen kann. Schlank, blond, mit festem Blick aus dunklen Augen, empfängt sie mit Anmut das herantobende Tier. Mit eleganten Bewegungen läßt sie ihn zuerst ins Leere laufen. Dominiert den Stier schließlich. Stoppt ihn, zwingt ihm ihren Willen auf, bevor sie ihm den tödlichen Degenstoß verpaßt. „Ein bißchen wie Ballett“, sagt Sánchez.

Trotz allem sei sie außerhalb der Arena eine „ganz normale Frau“, erklärt sie immer wieder in TV-Shows. Die Boulevardpresse hat bisher vergeblich versucht, ihr leidenschaftliche Romanzen anzudichten. Ob das an der zweiten Lebensmaxime von Cristina liegt? „Ich würde nie den Stierkampf für einen Mann aufgeben.“ Reiner Wandler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen