Das Portrait: Der Trommler gegen den Tod
■ Robert Böhm
Zu Ehrung und Lobrede hat es nicht mehr gereicht. Das Virus hatte ihn zu plötzlich gepackt. Mehrere Monate schwebte er zwischen Leben und Tod, bis die Ärzte „die Maximaltherapie lockerten“. Robert Böhm (44), „beinahe so etwas wie der 1. Vorsitzende der deutschen Junkies“ (taz), starb am 24. April an den Folgen von Aids. Er koordinierte das Selbsthilfe-Netzwerk JES (Junkies, Ehemalige, Substituierte). Die Abschiedsfeier findet heute um 13 Uhr in der Kirche zum Heiligen Geist in Berlin-Kreuzberg statt.
15 Jahre Heroin, 5 Jahre Knast. Wie andere Leute ihre Universitätsaufenthalte nannte Böhm diese beiden Ziffern. Er war Autoschlosser, Gastwirt, Bürokaufmann, Junkie. Vor zwölf Jahren bekam er seine Diagnose. „Sie haben Aids!“ rief der Schließer in die Zelle. Böhm war der Infizierte Nummer eins im Oldenburger Knast. Er kam in die Einzelzelle, das Gefängnispersonal zog sich Gummihandschuhe über. Das war 1986. Fünf Jahre später war Böhm Patient Nummer eins im Oldenburger Methadon-Programm. Das Virus hatte ihm – zunächst – das Leben gerettet. Denn ohne Infektion wäre er nicht in das Programm gerutscht.
Böhm schaffte den Ausstieg. Andere sollten es auch schaffen. Dafür trommelte und rockte er als Schlagzeuger. Er kurbelte das Methadon-Programm an, suchte Ärzte, machte die Substitutionsbedingungen in der Szene bekannt. Und plötzlich war er Teil des heute in 40 Städten aktiven Selbsthilfe- Netzwerks JES. Seit 1994 arbeitete er in Berlin, seit dem Tod von Vorgänger Werner Hermann leitete er die bei der Aidshilfe untergebrachte bundesweite Koordinationsstelle. Die langsam sichtbare Wende in der Drogenpolitik haben Leute wie er vorangetrieben. Böhm hat sich reingehängt, seine persönlichen Erfolge habe er vor lauter 12- Stunden-Tagen kaum noch genießen können, sagt seine Kollegin. Aus dem verelendeten Fixer war ein engagierter Kämpfer geworden mit Trenchcoat und penibler Aktenablage.
„Abstinenz ist das Schwierigste, das schaffen die wenigsten“, hatte er noch vor einem Jahr erklärt. Doch zuletzt hatte er es nach sieben Jahren Methadon doch noch versucht. Er brauchte die Substitution nicht mehr, um dazuzugehören. Er war wieder in eine neue Umlaufbahn gestartet, ein weiterer Neuanfang, der nur kurze Zeit dauerte. Manfred Kriener
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