piwik no script img

Das PortraitStaatsfeind Nummer eins

■ Abraham Serfaty

Abraham Serfaty darf nach sieben Jahren Exil noch immer nicht in seine Heimat zurück. Seit König Hassan II. vor einem halben Jahr die marokkanische Opposition an die Regierung ließ, saß Serfaty im Pariser Exil wie auf glühenden Kohlen. Voreilig hatten Anhänger des 71jährigen jedes Indiz für eine bevorstehende Begnadigung des „Hochverräters“ zur bereits vollzogenen Tatsache erklärt. Doch am vergangenen Donnerstag kam das Aus für alle Hoffnungen. Marokkos oberster Gerichtshof lehnte eine Rückkehr des Regimekritikers ab. Es sei nicht feststellbar, ob Serfaty „Brasilianer oder Marokkaner“ sei, lautete die Begründung. Eine Ausrede, um König Hassan einen Gegner vom Hals zu halten. Denn Serfaty stammt aus einer jüdischen Familie, die sich vor 500 Jahren aus Spanien vertrieben in Marokko niederließ. Serfaty wurde 1926 in Casablanca geboren. Seine einzige Verbindung zu Brasilien: Sein Vater hat dort einige Jahre gearbeitet.

Serfaty gehört zu den Veteranen der marokkanischen Unabhängigkeitsbewegung. Mit 17 Jahren trat er der Kommunistischen Jugend bei. Mehrfach wurde er von der französischen Kolonialpolizei verhaftet. Nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1956 war diese Biographie von Vorteil. Zwar war Marokko eine Monarchie und Serfaty überzeugter Republikaner, doch solange König Mohammed V. lebte, der das Land mit in die Unabhängigkeit geführt hatte, störte das den jungen Kommunisten nicht. Serfaty machte in der staatlichen Bergbaubehörde Karriere. Bis Mohammed V. 1961 starb und dessen Sohn Hassan II. den Thron bestieg.

1962 wurde Serfaty zum ersten Mal wegen „staatsfeindlicher Umtriebe“ verhaftet. 1974 schickten Richter ihn für lebenslang hinter Gitter. 1991 wurde Marokkos Staatsfeind Nummer eins dann nach Frankreich abgeschoben.

König Hassan II. verdammte ihn damit zum Zuschauer des Öffnungsprozesses in Marokko. Eine Verfassungsänderung ermöglichte Anfang des Jahres die Regierungsübernahme durch den Sozialisten Abderrahman Jussufi. Dieser hatte versprochen, für Serfatys Rückkehr zu sorgen. Hassan II. hat dem Demokratisierungsprozeß Grenzen gesteckt.

„Mein Land ist auch weiterhin kein Rechtsstaat“, muß Serfaty nun feststellen. Reiner Wandler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen