Das Portrait: Innenminister mit Wille zu Reformen
■ Abdolwahid Mussawi Lari
Personalfragen sind Machtfragen. Das gilt auch in der Islamischen Republik Iran. Wenn morgen das Parlament in Teheran über die Besetzung des Amtes des Innenministers abstimmt, bedeutet das eine erneute Machtprobe zwischen dem vergleichsweise moderaten Präsidenten Mohammad Chatami und seinen konservativen Widersachern. Einziger Kandidat ist Abdolwahid Mussawi Lari, eine enger Vertrauter des Präsidenten. Der hatte den 44jährigen nominiert, nachdem das von Konservativen dominierte Parlament dessen Vorgänger, Abdullah Nuri, abgesetzt hatte.
Mussawi Lari wird wie Nuri dem Reformlager zugerechnet. Bisher war er als Vizepräsident für juristische Angelegenheiten zuständig. 1954 in Lar in der Provinz Fars geboren, studierte er schiitische Theologie im iranischen Qom und im irakischen Nadschaf und erreichte den Rang eines Hodschatolislam. 1971 aus dem Irak zurückgekehrt, wurde er wegen Aktivitäten gegen den Schah für zwei Jahre inhaftiert. Nach der Islamischen Revolution 1979 wurde Mussawi Lari Parlamentsabgeordneter. Von 1982 bis 1992 war er stellvertretender Minister für Kultur und Religiöse Führung – Minister war damals Mohammad Chatami.
Mussawi Lari gehört zu den Gründern der linksislamistischen „Liga des kämpferischen Klerus“ und wurde Leiter des Parlamentsausschusses für internationale Kulturarbeit. Als Chatami 1992 sein Ministeramt im Streit mit Teherans Hardlinern aufgab und sich auf den Posten des Leiters der Nationalbibliothek zurückzog, folgte ihm Mussawi Lari als Berater.
Konservativen Parlamentariern wird die Wahl Mussawi Laris zum Innenminister schwerfallen. In den letzten Monaten hat er sich für die Zulassung von Parteien und gegen politisch motivierte Gerichtsverhandlungen ausgesprochen. Eine Geschworenenkammer solle gegründet werden, um „politische Willkürurteile“ zu verhindern – denn, so der Minister in spe: „Manchmal verurteilt ein Richter eine Tat als politische Straftat. Der Beschuldigte betrachtet seine Tat jedoch als sein politisches Recht oder sogar seine politische Pflicht.“ Irans Reformgegnern sind solche Worte ein Greuel. Doch sie wissen: Sollte der Kandidat des Präsidenten scheitern, steht die Islamische Republik womöglich bald ganz ohne Regierung da. Kambiz Behbahani
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