piwik no script img

Das PortraitVorbild für Erich und den klugen Rest

■ Adolf Hennecke

Erich Honecker und die Herren der Staatlichen Planungskommission der DDR liebten ihn als Bestarbeiter. Adolf Hennecke begann vor 50 Jahren mit einer satten Planübererfüllung die Aktivistenbewegung im anderen deutschen Staat – und war dadurch auch in anderer Hinsicht leuchtendes Vorbild: als Zielscheibe beißenden Spotts für den ganz normalen DDR-Bürger. Hennecke nämlich hatte die Norm am 13. Oktober 1948 nicht nur gemacht: „Der hat die Norm versaut mit seiner 300prozentigen Übererfüllung, und alle waren sauer deswegen“, schaut mancher Ossi noch heute zurück auf Hennecke.

Genau waren es 387 Prozent, um die Hennecke das Soll auf der Zeche „Gottes Segen“ im Steinkohlerevier Oelsnitz überschritt. Statt vorgesehener 5,7 Kubikmeter hatte der Hauer 24,4 Kubikmeter Steinkohle gehauen. Damit beließ es die Agitation und Propaganda natürlich nicht. Zwei Tage später war Hennecke wieder überfleißig – er schrieb einen Text fürs Neue Deutschland. Darin fanden sich all die Stichworte, mit der die DDR-Oberen die Aufholjagd ihrer ökonomischen Unterlegenheit anzuspornen suchten. „Die Kumpels Landmann, Minzel, Arlt ... werden genauso in der Lage sein, diese Leistung zu erreichen und sogar zu überbieten“, schrieb der gelernte Kaufmann. Voraussetzung seiner Leistung sei „die richtige Organisation des Arbeitsprozesses“, und „die Arbeit im Bergbau hat etwas Schöpferisches“, meinte er.

Hennecke bewirkte in der DDR ein ebenso pedantisches wie penetrantes Herumdoktern an der Arbeitsorganisation. Und er löste, so die DDR-offizielle Variante, diverse Aktivistenwegungen aus. Nach Hennecke schoß irgendwann die Textilarbeiterin Frieda Hockauf übers Ziel hinaus. So gab es bald eine „Hennecke-Bewegung“ für die Männer, eine „Hockauf“-Bewegung für die Frauen – genau wie eine „Paß-uff-Bewegung“ für den klugen Rest: „Paß uff, daß du den Feierabend nicht vergißt.“ Hennecke stammte übrigens aus dem Westen. Er war aus dem westfälischen Meggen Mitte der 20er Jahre nach Sachsen übergesiedelt. Die DDR belohnte ihn für ihre Verhältnisse reich dafür, daß er die sowjetische Stachanow-Bestarbeitermethode nach Deutschland importierte. Er zog in die Volkskammer ein und erhielt später einen Job im Kohleministerium. Hennecke starb 1975. Christian Füller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen