Das Portrait: Prügelknabe und Umfaller
■ Sajid Ataollah Mohadscherani
Er ist der Prügelknabe der iranischen Extremisten im In- und Ausland. Die fanatisierte Menge im Lande verdrosch ihn beim Freitagsgebet, weil er als Befürworter kultureller Vielfalt gilt. Die oppositionellen Volksmudschaheddin greifen ihn im Ausland mit Eiern und Tomaten als angeblichen Vertreter eines fundamentalistischen Regimes an.
Der 44jährige Kulturminister und Regierungssprecher Ataollah Mohadscherani galt als zweitwichtigster Hoffnungsträger der Intellektuellen im Lande, nach Staatspräsident Mohammad Chatami. Jetzt halten ihn viele für einen Umfaller. Grund: Er legitimierte das Verbot einer kritischen Zeitung und die Verhaftung von Journalisten.
Mohadscherani ist selbst Autor und Journalist. Er studierte Geschichtswissenschaft und iranische Kultur. Von 1979 bis 1983 war er Abgeordneter des iranischen Parlaments, danach zwei Jahre Kulturattaché in Pakistan. Neben Farsi spricht er Arabisch und Englisch.
Als Minister sitzt Mohadscherani zwischen den Stühlen. Vor allem der mächtige Religiöse Führer, Ajatollah Ali Chamenei, attackierte ihn wegen seines Engagements für die Pressefreiheit: „Ich fordere die verantwortlichen Autoritäten zum letzten Mal auf, zu handeln und zu sehen, welche Zeitungen die Grenzen der Freiheit mißachten“, setzte er den Kulturminister unter Druck.
In welchem psychischen Zustand sich der Kulturminister befindet, zeigen seine Äußerungen zum Verbot der kritischen Tageszeitung Tus und der Verhaftung von vier Journalisten vor wenigen Wochen. „Tus beleidigt Geistliche, zweifelt religiöse Werte an – wie zur Schah- Zeit“, attackierte Mohadscherani unerwartet das Blatt.
Hauptgrund des Verbots der Zeitung war ein Interview mit Frankreichs ehemaligem Staatspräsidenten Valery Giscard d'Estaing über Ajatollah Chomeini. Irans Revolutionsführer sei einst mit iranischem Paß nach Paris gereist und habe „dort um politisches Asyl gebeten“, hatte der französische Politiker erklärt. Das bewegte die islamischen Gemüter.
Tus ist Nachfolgerin der Zeitung Dschamea. Das mit 200.000 Auflage schnell zur zweitstärksten Tageszeitung des Landes gewachsene Blatt galt als Irans mutigste Zeitung – und wurde verboten. Derzeit befinden sich immer noch drei Redakteure von Tus in Haft. Einst hofften sie auf Mohadscherani. Kambiz Behbahani
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