Das Portrait: Kämpfer gegen den Nationalismus
■ Baton Haxhiu
Es ist der schwärzeste Tag des albanischen Journalismus. Das ist die Meinung vieler Menschen in Kosovo. Es gibt keinen Zweifel mehr: Baton Haxhiu, der Chefredakteur der albanischen Tageszeitung Koha Ditore, wurde am vergangenen Sonntag von serbischen Fanatikern exekutiert. Und mit ihm eine Reihe weiterer namhafter Intellektueller.
Dies geschah wenige Stunden, nachdem sich einige tausend Albaner zur Beerdigung eines der populärsten Rechtsanwälte des Kosovo, Bajram Kelmendi, in Pristina versammelt hatten. Kelmendi hatte unter anderem auch Koha Ditora Rechtsbeistand gegeben.
Haxhius Tod ist ein bitterer Schlag für die Intellektuellenszene. Er galt als einer der wenigen liberalen Köpfe unter den Albanern, ein Feind jeder Form von Nationalismus. Der 34jährige vertrat einen für albanische Verhältnisse extrem modernen Journalismus, keine Hofberichterstattung für eine Partei, keine Parteinahme zugunsten eines Politikers. Kommentar und Bericht wurden fein säuberlich getrennt, an Diskussionen gab es keinen Mangel.
Koha Ditore war auch die einzige Zeitung, die Vertragsentwürfe einer möglichen Friedensregelung für das Kosovo und die Entwürfe des Abkommen von Rambouillet im Wortlaut abdruckte und zur Diskussion stellte. Anders als bei den anderen albanischen Blätter stand journalistische Sorgfalt an erster Stelle. Dabei berichtete die Zeitung nicht nur über die existentiellen Fragen wie Krieg oder Frieden im Kosovo. Auch gesellschaftliche Themen, wie Homosexualität, hatten im Blatt ihren Platz.
Koha Ditore hatte auch eine Ausgabe für das Ausland, etwa 30.000 Exemplare wurden täglich verkauft. Mit Beginn der Nato-Luftangriffe gab es aufgrund technischer Probleme keine Koha Ditore mehr. Nun entschieden die Mitarbeiter, das Blatt einzustellen.
Doch Haxhiu stand nicht nur für kritischen, ausgewogenen Journalismus. Seit drei Jahren organisierte er in Pristina Diskussionsforen, bei denen er versuchte, Serben, Albaner, aber auch Vertreter anderer Bevölkerungsgruppen, wie Roma, an einen Tisch zu bringen. Diplomaten, wie US-Außenministerin Madelaine Albright, stand er bei Kosovo-Reisen als Begleiter und Übersetzer zur Seite. Er hinterläßt Frau und Sohn, beide sollen einen sicheren Unterschlupf gefunden haben. Karl Gersuny
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