Das Portrait: Der Zar aus Moskau
■ Nikita Michalkow
Seit Peter dem Großen kommen die Zaren aus Petersburg. Doch der neue Zar Rußlands kommt aus Moskau, aus der Stadt, wo der Rubel in die eigene Tasche rollt. Nikita Michalkows neuer Film „Der Barbier von Sibirien“ ist der teuerste Film in der Geschichte des russischen Kinos und hat fast das gesamte Jahresbudget des Filmverbandes Rußlands, etwa45 Millionen Dollar, aufgebraucht. Eine pompöse Kulisse, Liebe und Leben am Zarenhof, orthodoxer Nationalismus – kurzum, der verfilmte Mythos „Rußland“.
Michalkow ist im Westen kein Unbekannter. Für „Die Sonne, die uns täuscht“, erhielt der 1945 in Moskau geborene Regisseur einen Oskar für den besten ausländischen Film und die „Goldene Palme“ von Cannes. Der Sohn Sergej Michalkows, des Texters der sowjetischen Nationalhymne, ist Absolvent der Moskauer Filmhochschule. Bevorzugt arbeitet er aber auch als Schauspieler. Eine Paraderolle schrieb er sich im „Barbier von Sibirien“, wo er Alexander den Dritten, den vorletzten Zaren Rußlands spielte.
Diese Figur entspricht den politischen Ambitionen des russischen Proto-Monarchisten, der Autokratie für die dem russischen Wesen angemessene Regierungsform hält. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde der schnauzbärtige Regisseur mehr und mehr durch Auftritte auf den Bühnen der russischen Politik bekannt. Er engagierte sich im panslawistischen Wahlbündnis „Unser Haus Rußland“ und errang 1995 sogar einen Listenplatz in der Duma. Seine Kritik an der Politik Jelzins verband er mit einem Bekenntnis zu russischem Patriotismus und mit Plädoyers für die Wiedereinführung der Monarchie.
Da Michalkow alle russischen Regierungen seit 1917, auch die heutige, für illegitim hält, wünscht er sein Land in die Epoche vor dem bolschewistischen Wirrwarr zurück. Unterdrückung anderer Völker, Zensur und Selbstherrschaft – all das habe Rußland groß gemacht. Sein politisches Engagement scheint sich für Michalkow vor allem finanziell zu lohnen. In einer Zeit, in der, wie er selber sagt, kein sauberes Geld mehr existiert, profitiert er von staatlichen Krediten. Nächstes Jahr will Michalkow für die Präsidentschaft kandidieren. Ob er da Chancen hat? Bei der russischen Intelligenzija sicher nicht. Sie quittierte die Uraufführung des „Barbiers“ mit schimmligem Brot. Katja Hübner
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