■ Das Portrait: Angeblicher Subversiver
Julio Mendivil lebt seit neun Jahren in Köln, wo er Musikwissenschaft und Ethnologie studiert. Als Autor eines Prosabands und kleinerer lyrischer Stücke flog der Siebenunddreißigjährige Anfang August zu einem Symposium nach Buenos Aires. Kurz darauf nahm ihn das peruanische Militär am Grenzübergang von Chile nach Peru fest. Dorthin war er auf dem Landweg unterwegs, um seine Frau und seine Familie zu besuchen.
Für Mendivil kam die Verhaftung wie aus heiterem Himmel. Was er nicht wissen konnte: Ein des Kontaktes zur Guerilla „Leuchtender Pfad“ verdächtigter Peruaner hatte im Verhör den Namen eines Verwandten von Mendivil genannt. Seit Inkrafttreten des sogenannten „Reuegesetzes“ können Angeklagte durch Denunziation ihre Strafe mildern.
Julio Mendivil, Autor aus Köln: Ihm drohen viele Jahre Haft in Peru Foto: privat
Auf der Suche nach stichhaltigeren Vorwürfen fand der Geheimdienst kurz nach der Festnahme heraus, dass Mendivil 1987 wegen des Auftritts bei einem verbotenen Solidaritätskonzert vier Tage inhaftiert war. Jetzt wird er beschuldigt, Mitglied einer „Musik- und Kulturabteilung“ des „Leuchtenden Pfads“ zu sein.
„Völlig absurd.“ Alexander Bühler, ein Kommilitone aus Köln, schüttelt den Kopf, als er von dieser Anschuldigung hört. „Er war viel zu philosophisch, viel zu differenziert. Niemals wäre er Sympathisant einer Terrororganisation gewesen.“ Der selben Meinung ist ein peruanischer Freund des Festgenommenen. „Natürlich hat er Kritik an unserer Regierung geäußert – wie alle Peruaner. Aber er hat auch die Aktivitäten der Guerilla kritisch betrachtet.“
Mendivil selbst hat einmal in einem Interview gesagt, ihm gehe es in seinen literarischen Stücken vor allem darum, „Brücken zu schlagen zwischen den verschiedenen Kulturen seines Landes“. Damit habe seine Literatur zwingend zwar auch immer eine politische Aussage. Doch bis hierher und nicht weiter geht das „politische Engagement“ des angeblich Subversiven, der für deutsche Klassiker wie Goethe und Wagner schwärmt.
Mendivil wollte im Herbst ein Stipendium der evangelischen Kirche in Köln antreten. Doch jetzt muss er einen Militärprozess über sich ergehen lassen, der mehrere Monate, im Höchstfall bis zu zwei Jahren dauert. Wenn er dann schuldig gesprochen wird, drohen ihm zwischen fünf und dreißig Jahren Haft wegen Landesverrat. Katharina Koufen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen