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■ Das PortraitWeltenwechsezur Expo 2000

Wibke Bruhns

Nun soll’s die „Rote Zora“ richten: Weil fünf Monate vor dem Beginn der Weltausstellung im Volk der Gastgeber immer noch keine rechte Begeisterung aufkommen will, versucht es die Expo 2000 jetzt mit Wibke Bruhns. Ab heute ist die 61-jährige Expo-Sprecherin – den Wechsel der Welten von der engagierten Journalistin zum PR-Job sieht sie gelassen: „Die Chemie hat gestimmt“, vertraute sie der Süddeutschen über ihre erste Begegnung mit Expo-Chefin Birgit Breuel an.

Deutet sich hier, behutsam formuliert, zumindest ein nicht allzu kleiner Sinneswandel an? Immerhin hatte Bruns ihr Volontariat bei der Bild-Zeitung nach dem Mauerbau aus Protest gegen die Springer-Linie abgebrochen und sich 1971 zur – damals einzigen – Nachrichtenfrau des deutschen Fernsehens durchgeboxt, Engagement für die SPD und Willy Brandt eingschlossen: Ausgerechnet die erste „Redakteurin im Studio“ des schwarzen ZDF legte sich bei den Wahlen 1972 für die „Sozialdemokratische Wählerinitiative“ ins Zeug.

Nach ihrem Abschied vom ZDF war Bruhns dann als mögliche SPD-Vorstandssprecherin im Gespräch, blieb aber dem Journalismus treu. Für den Stern ging sie 1979 nach Isreal, 1984 nach Washington und machte durch kritische Reportagen von sich reden.

Nach ihrer Rückkehr aus den USA wurde der Kölner WDR ihre neue Heimat und sie selbst für Talkshows wie „Drei nach Mitternacht“ und das „Mittagsmagazin“ zum Markenzeichen.

So richtig gescheitert ist Bruhns bisher eigentlich nur einmal: 1993 gelang dem mit viel Vorschusslorbeeren gestarteten privaten „Ereignisfernsehen“ Vox trotz „Anchorwoman“ Wibke Bruhns nur eine Bruchlandung – und Bruhns verordnete sich erst einmal ein Jahr Fernsehpause. Seit 1995 arbeitete sie als Kulturchefin beim Ostdeutschen Rundfunk (ORB).

Was sie jetzt am Expo-Job reizt? – Der Welt zeigen, dass „Deutschland nicht nur aus Knobelbechermarschierern besteht“, sagte sie der Süddeutschen. Und: „Für eine Lodenfabrik in der Oberpfalz hätte ich das nicht gemacht.“ Natürlich nicht. Aber die „vorbehaltlose Freude“, die sie bei ihren Landsleuten vermisst, ihr „maßloser Ärger“ über das nicht ganz grundlos schlechte Image der krisengeschüttelten Weltausstellung lassen den Verdacht aufkommen, dass ihr der Wechsel der Schreibtischseite vom kritischen Journalismus zur fröhlichen PR leider gelingen wird. Steffen Grimberg

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