: Das Kurnaz-Rätsel
Die USA wollten den Bremer Guantánamo-Häftling bereits 2002 freilassen, steht im geheimen BND-Bericht der Regierung. Woran das scheiterte, bleibt unklar
BERLIN taz ■ Seit vier Jahren kämpfen Anwälte und Diplomaten um die Freilassung des Bremer Türken Murat Kurnaz aus dem US-Lager Guantánamo – und rätseln, warum alle Bemühungen scheiterten. Ein von der Leipziger Volkszeitung veröffentlichtes Detail aus dem geheimen Teil des Regierungsberichts zur BND-Affäre sorgt bei Kennern des Falls für Verwunderung.
Laut dem Bericht plädierten deutsche Sicherheitsbehörden im Oktober 2002 dafür, Kurnaz im Falle der Freilassung nicht nach Deutschland zurückkehren und in die Türkei abschieben zu lassen. In einer Chronologie über den Fall referiert der Bericht ein „internes Schreiben“ des BND vom 9. 11. 2002: Die Entscheidung der Bundesregierung, Kurnaz nicht nach Deutschland zu lassen, stoße bei der „US-Seite auf Unverständnis“. Und: „Freilassung sei wegen seiner nicht feststellbaren Schuld sowie als Zeichen der guten Zusammenarbeit mit den [deutschen] Behörden geplant gewesen.“
Sollte das heißen, dass die USA Kurnaz’ Freilassung absagten, weil Deutschland ihn nicht aufnehmen wollte? „Wenn da etwas dran wäre, wäre das dramatisch“, sagt der Anwalt der Familie Kurnaz, Bernhard Docke. „Dann müssten wir die deutsche Verantwortung völlig neu bewerten.“ Allerdings hält Docke den Vorwurf für unlogisch. Schließlich hätten die USA Kurnaz genauso gut in die Türkei abschieben können – mehrere türkische Gefangene seien inzwischen dorthin zurückgekehrt.
Auch der grüne Abgeordnete Christian Ströbele sieht keinen Hinweis, der einen Verdacht gegen die damalige Bundesregierung rechtfertigt. Dazu, dass die USA Kurnaz wegen der Einreisesperre nach Deutschland weiter festhielten, sagt er: „Das kann ich mir nicht vorstellen.“ AGX