Das Konzept „Gutes tun” neu sehen : Ich will ja helfen, aber ...
Jeder will Gutes tun. Aber das ist schwierig. Ein Oxforder Professor hat eine radikale Lösung gefunden.
Jeder will Gutes tun. Okay, fast jeder. Aber. „Ich will ja Gutes tun, aber Flüchtlinge einquartieren ist eher nichts für mich. Zeit nehme ich mir, aber das kann ich nicht regelmäßig. Spenden möchte ich auf jeden Fall, aber was bringt wirklich etwas?” So oder so ähnlich haben wir das in den letzten Wochen mehrfach gehört.
Grundsätzlich kann man sagen: Es hilft dem Helfen, wenn man an einen Ort gehen kann, um Menschen, die man sieht oder sogar kennenlernt, zu unterstützen. Es wird komplizierter, wenn man nachhaltig Gutes tun will, aber merkt, dass einem auf Dauer vor lauter Erwerbsarbeit und Familienarbeit nicht genug Zeit bleibt. Daraus ist unsere zeozwei-Weihnachtsausgabe entstanden: Gutes tun – aber wie? Ein konstruktives Heft.
Auf der sicheren Seite bleiben
Dass man so selbstverständlich über Gutes tun redet, ist neu. „Gutes tun” war lange Jahre ein Begriff, den viele nur ironisch distanziert aussprechen konnten. Man war selbstverständlich für das Gute, aber alles schien kompliziert und man wollte sich auf keinen Fall mit etwas gemein machen, was am Ende inhaltlich oder ästhetisch bedenklich sein könnte. Schon gar nicht mit denen, die Gutes taten oder das behaupteten. Dagegen verwahrte man sich mit ironischer Distanz, wie sie etwa der Sänger Funny van Dannen in seinem grandiosen Song „Gutes tun” pflegte.
„Kondome nicht ins Klo / Keine Drogen sowieso / Weniger fernsehen / Öfter zu Fuß gehen /Auch mal an die im Abseits denken / Gebrauchte Pornos dem Altersheim schenken.” Und dann der Refrain: „Gutes tun, Gutes tun / Gutes tun ist gar nicht schwer / Man kann soviel Gutes tun / zuhause und im Kreisverkehr”.
Echtes Handeln bringt echt was
Dass der ironische Lebensstil der Harald Schmidt-Jahre angesichts der globalen Entwicklungen Klimawandel, Terror, Hunger, Armut und Flucht nicht das letzte Wort sein kann, war schon länger klar. Aber es brauchte die Dynamik der Flüchtlingssituation des Jahres 2015 und die Emotionen durch die persönliche Erfahrung vor Ort, um das Konzept „Gutes tun” neu zu sehen und neu zu besetzen. Wie der Autor Klaus Raab in der neuen zeozwei schreibt: Echtes Handeln von echten Menschen bringt echt was. Das ist eine große Erfahrung, die ein relevanter Teil der Gesellschaft in diesem Jahr gemacht hat.
Und dennoch werden Leute immer noch mit Hass und Hohn verfolgt, wenn sie sich engagieren. Das gilt speziell, wenn man Til Schweiger ist.
Auch Deutschlands erfolgreichster Schauspieler und Filmemacher engagierte sich für Flüchtlinge – und hat jetzt Nazis am Hals. Andere, auch aus dem linksgrünliberalen Bürgertum, machten sich über ihn lustig oder stellten sein Engagement gleich ganz in Frage. „Ich habe im Laufe der Jahre sehr viele Leute getroffen, die noch nie einen Film von mir gesehen haben, mir aber sagen, dass die Filme scheiße seien”, sagt Schweiger im zeozwei-Gespräch. Der weiterführende Gedanke sei dann offenbar: „Wieso soll der jetzt ein Guter sein, das ist doch dieser Depp, der nur einen Gesichtsausdruck kann und nuschelt?” Nach dem Motto: Wer schlechte Filme macht, die ich nicht gesehen habe, der soll jetzt nicht daherkommen und Gutes tun wollen. Schweiger berichtet, dass er sich schon als Kind rumgestritten habe, „wenn ich dem Bettler was in seinen Hut getan habe, und dann sagte meine Begleitung: Ach, der versäuft das doch eh nur. Ich habe dann immer gesagt: Woher willst du das denn wissen?”
Man kann einen Unterschied in der Welt machen
Die radikalste Entwicklung des Gutes tun hat der britische Philosophieprofessor William MacAskill ausgerufen, den zeozwei in Oxford besucht hat. Man sieht nicht mit dem Herzen gut, wie das seit Antoine Saint-Exuperys „Der Kleine Prinz” weitverbreitete Meinung ist. Der emotionale Impuls ist die Grundvoraussetzung. Aber um richtig Gutes zu tun, braucht man den Verstand.
Und wir reden hier nicht vom Kaufen eines fairen T-Shirts, von Standby ausschalten oder kalt duschen. Es geht um den Kampf gegen die Armut. Es geht darum, das Beste aus seinen Möglichkeiten zu machen, Gutes zu tun. Die sind für einen Menschen, der in einem westlichen Industrieland lebt, gewaltig. Viel gewaltiger, als wir selbst uns das klar machen. Wer in einem reichen Land lebt und 50.000 Dollar im Jahr verdient (als Haushalt), der gehört zum obersten 1 Prozent der Weltbevölkerung. Er kann einen großen Unterschied in der Welt machen, sagt MacAskill. Er darf aber nicht sentimental an die Sache ran gehen, sondern muss rational arbeiten. Es geht darum, das Meiste aus seinem Geld oder seinem Engagement herauszuholen. Welches Problem geht man an? Welche Charity gibt man sein Geld? Welchen Beruf ergreift man? Für alle Fragen hat er Antworten gesucht – und gefunden.
Wenn man MacAskill verlassen hat und durch die Sträßchen Oxfords geht, dann ist man durchdrungen von dem Gedanken, den auch er hatte, bevor er durchstartete. Man denkt: Das ist einfach viel zu wenig, was ich tue. Das ist nichts.
Und es gibt keinen Grund, warum das so bleiben kann.
PETER UNFRIED, zeozwei-Chefredakteur
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