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Das Jahr-2000-ProblemDer himmelblaue neue Organizer

■ Die neuen Leiden des jungen K. oder: Werden Sie milleniumfähig / Fünftens

Alle Welt hat es. Warum sollte ich von einem Jahr-2000-Problem verschont bleiben? Gut, andere Menschen sind schlimmer dran, aber das Hemd ist einem nun mal näher als die Hose. Mein Jahr-2000-Problem heißt: Ich weiß noch nicht, wo ich Silvester 1999 feiern soll.

Silvester 1999 werden die Regale in den Supermärkten leer sein, und vielleicht geht auch die Welt unter. Ich kann es mir zwar nicht richtig vorstellen, wie die Welt untergehen soll, wo „Comet“ doch jetzt „extra“ heißt. Aber es gibt Leute, die sich den Weltuntergang in allen Farben ausmalen. Was halten Sie in diesem Zusammenhang von himmelblau? Ich eher weniger.

Früher gehörte ich übrigens zum Typ Mensch, der seine Weihnachtseinkäufe am liebsten Heiligabend erledigte. Und für solche Typen brechen jetzt schwere Zeiten an. Schon im Oktober, teilte ein Branchendienst kürzlich mit, „wird es eng“ mit Sekt und Champagner. Bier, Wein, Nachos und anderes Knabbergebäck sollen spätestens Mitte November nicht mehr lieferbar sein. Gleiches gilt für Spirituosen aller Art und Babysitter. Schuld sind die Hamsterkäufer.

Seit Wochen sind sie zu beobachten. Schon vor der Ladenöffnung stehen sie vor den Türen von „extra“, „lidl“, „aldi“, „lestra“, „marktkauf“, „real“ und „norma“ und hämmern gegen die Ladentüren. Das Personal, das anlässlich von Rabatttagen mit der Umschriftung der Warenauszeichnungsschildchen in die neue Rechtschreibung beschäftigt ist, reagiert verstört. Die Hamsterkäufer wiederum reagieren mürrisch und hämmern noch lauter gegen die Glastüren. Endlich öffnet das Personal. Die Hamsterkäufer strömen in die Supermärkte und rennen auf die Regale mit Spirituosen zu. Innerhalb von Minuten sind die Böden mit Sekt und Champagner leer und die Einkaufswagen voll. Jeden Morgen geschieht das gleiche Schauspiel.

Woher ich das alles weiß? Ich gehöre dazu, denn auch ich bin ein Hamsterkäufer. Ich beherrsche inzwischen die Kunst der Vorratshaltung, denn ich habe einen Plan. Silvester 1999 werde ich nicht feiern, sondern einen Laden für Sekt, Champagner, Knabbergebäck und Babysitter eröffnen. Im neuen Jahrtausend bin ich steinreich und kaufe mir endlich einen himmelblauen Organizer.

Christoph Köster

Lesen's in der nächsten Folge, wie der Wunsch nach einem Millenium-Baby für Spätentschlossene noch zu erfüllen ist.

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