: Das Ende einer langen Feindschaft
IBM und Apple versuchen jetzt als Freunde, die Monopolstellungen von Intel und Microsoft zu knacken ■ Von Erwin Single
Wie gebannt starrte die gesamte Computerwelt nach San Francisco, als im Juli vergangenen Jahres IBM- Vize James Cannavino und Apple- Chef John Sculley das Ende einer langen Feindschaft besiegelten. Über zehn Jahre hatten sich der Branchenriese IBM und der Silicon-Valley-Aufsteiger Apple um die wachsende Kundschaft von Schreibtischrechnern geschlagen. Nun soll damit endgültig Schluß sein. Eine weitreichende technische Allianz, waren sich die IBM-Spitzen und das Apple- Management einig, könnte der angeschlagenen „Big Blue“ zu altem Glanz und dem kleinen Partner zu neuer Größe verhelfen. Die restlichen Computerhersteller waren von der Botschaft geschockt. Der neue Freundschaftspakt der einstigen Erzrivalen, so die Befürchtung, könne den hart umkämpften EDV-Markt neu aufmischen.
Die Allianz kam nicht von ungefähr: Der seit 100 Jahren etablierte Büromaschinen-Konzern IBM verlor im letzten Jahr zum erstenmal; gleich 2,7 Milliarden Dollar. Und auch Apple, ein Kind der Turnschuh- Programmierer, mußte im rabiat geführten Preiskrieg Federn lassen. Im US-Handel sackte der Anteil der teuren Apple-Rechner von 1978 bis 1990 um acht auf elf Prozent zusammen. Apple warf daraufhin preiswertere Kisten auf den Markt. Das trieb zwar den Umsatz in Rekordhöhen, brachte aber deutlich geringere Gewinnmargen.
Daß Halbleiter und Systemsoftware über die Marktchancen von morgen entscheiden, darüber war sich IBM-Boß John Akers längst sicher. Als erstes sollte die Allianz daher die Chip-Entwicklung von den Standards des Monopolisten Intel befreien. Da kam die Prozessoren-Fabrik Motorola, von der sich Apple die Chips besorgt, gerade recht. Motorola hatte mit Entwicklungsproblemen seiner neuen Chip-Generation zu kämpfen, die den erfolgreichen Intel-Prozessoren 80486 Paroli bieten sollten. IBM setzte derweil Intel- Chips, aber auch eigene Prozessoren nach der Risc-Architektur ein, die eine rasante Beschleunigung der Rechenvorgänge erlauben. Gemeinsam mit Motorola wird nun IBM die nächste billigere und leistungsfähigere Chip-Generation (Power PC-Chips) produzieren, die in drei Jahren dann das Herzstück für Apple- und IBM- Rechner bilden sollen. Für die kommenden Geräte will die Allianz zudem eine neue Systemsoftware entwickeln.
In dem Joint-venture-Unternehmen „Talligent“ sollen rund 400 ProgrammiererInnen im kalifornischen Silicon Valley eine sogenannte objektbezogene Betriebssoftware stricken, die die Entwicklung von Anwendungsprogrammen erleichtern und beschleunigen wird. „Kaleida“, eine zweite Tochterfirma soll sich auf Multimedia-Technologien (siehe oben) spezialisieren, mit denen Audio-, Video-, Text- und Grafikfunktionen integriert werden können. Multimedia-Fan John Sculley glaubt, durch diese revolutionäre Technik werde sich die Lebensart grundlegend ändern. Doch die Fachleute sind weitaus skeptischer. Laut einer Prognos-Studie dürften sich 1995 die Marktumsätze selbst in den USA auf nur knapp 7 Milliarden US- Dollar belaufen.
Bei IBM wurde erst spät erkannt, wie gefährlich ihm sein kleiner Konkurrent werden könnte. Erst als der unbewegliche Monolith Big Blue durch seine eigene Masse in den Strudel der Computer-Materialschlacht geriet, riß Akers das Steuer herum. Im PC-Geschäft hatte IBM seit 1986 die Hälfte seines 40prozentigen Marktanteils verspielt; mit dem Betriebssystem OS/2, an dem 1.700 Programmierer herumbastelten, bahnte sich ein neues Debakel an. Als Microsoft vor einem Jahr seinen Verkaufshit, das Betriebssystem MS-DOS mit der benutzerfreundlicheren Oberfläche „Windows“, als die bessere Alternative zum OS/2 anzupreisen begann, platze den IBM- Managern der Kragen. Schließlich hatte IBM vor 11 Jahren den damals 25jährigen Bill Gates mit der Entwicklung einer Basissoftware für die neuen IBM-PCs beauftragt, mit der dieser Microsoft zum weltgrößten Softwarehaus hochzog.
Auch Apple fürchtete die „Windows“-Version und verklagte Microsoft auf 4,3 Milliarden Dollar Schadenersatz. Die Begründung: Das Programm sei von Apple abgekupfert. Damit war Microsoft als gemeinsamer Feind ausgemacht, denn auch IBM machte das Software-Genie Gates für seinen Mißerfolg bei den OS/2-Rechnern verantwortlich, die in den Lagerhäusern verstauben.
Nun müssen auch die Nachbauer von IBM-Geräten befürchten, daß die IBM-Apple-Allianz bald das Geschäft verdirbt. Wie das System MS- DOS selbst ist auch die DOS-kompatible PC-Gerätegeneration ergraut. Und auf dem Markt, der bereits deutliche Sättigungserscheinungen zeigt, hat das Rennen um den zukünftig dominierenden Schreibtischrechner- Standard längst begonnen.
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