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Das Ende der TreueMüssen wir die Liebe neu erfinden?

Viele wollen alles. Romantische Beziehung. Totale Übereinstimmung. Aber auch: jemanden, der ganz anders ist. Geht nicht auf einmal, klar. Und jetzt?

Bevor es gebrochen wird, könnte man es doch teilen, das Herz. Zum Beispiel mit vielen. Bild: dpa

Jacob beispielsweise. Er meldet sich bei einem Dating-Portal an. Er trifft Rachel. Es läuft toll. Er fragt sich: Ist sie es? Die eine? Die einzige?

Sie mag ihn. Es stört sie nicht, dass er so viel Sport macht, dass er sie auf Konzerte schleppt. Es stört sie allerdings schon, dass sein Kreditrahmen ihn so wenig interessiert - und sie steht auf 40-Stunden-Wochen.

Jacob weiß, er müsste sich jetzt ein bisschen anstrengen. Andererseits gibt es auf match.com all die anderen Frauen. Lohnt sich die Anstrengung überhaupt? Er lässt das alles ein wenig schleifen. Bis Rachel sich trennt. Er loggt sich wieder ein. Sein Profil auf match.com gibt es ja noch.

Rachel und Jacob. Das ist eine Geschichte aus einem Buch von Dan Slater. Seine zentrale These: mit dem Online-Dating könnte die Bindungsfähigkeit verloren gehen. Als ein Buch-Auszug auf der Seite des Magazins Atlantic erschien, begann auf der Seite eine mehrtägige Diskussion über die Auswirkungen solcher Portale. Bedroht Online-Dating die Ehe, die Treue?

Freiheit als Zwang

Der Autor Sven Hillenkamp, der auch am taz.lab am Wochenende sprechen wird, beobachtet ähnliche gesellschaftliche Entwicklungen.

Die Titelgeschichte „Müssen wir die Liebe neu erfinden?“, ein Porträt der grünen Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt und ein Gespräch mit dem FAZ-Herausgeber und Bestseller-Autor Frank Schirrmacher lesen Sie in der neuen taz.am wochenende vom 20./21. April 2013. Mit großen Reportagen, spannenden Geschichten und den entscheidenden kleinen Nebensachen. Mit dem, was aus der Woche bleibt und dem, was in der nächsten kommt. Jetzt mit Hausbesuch: Die taz klingelt mal in Raubling. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo.

Unsere Freiheit werde zum Zwang. Wir wissen, es könnte immer besser gehen. So wie wir immer besser arbeiten, leben, aussehen könnten, so könnte der Partner ein besserer sein, argumentiert Hillenkamp. Vielleicht waren wir mal mit einem zusammen, der schöner war. Mit einem, der klüger war. Mit einem, der uns ähnlicher war. Unsere Vergleichsmöglichkeiten würden einen Partner verlangen, der nicht existiert: ein Konstrukt aus allen bisherigen und künftigen Partnern. "Sie verwachsen zu einer Hydra mit zahllosen Häuptern", sagt Hillenkamp, "einem ersehnten Vielwesen."

Wir wollen also mit einer Vision vögeln?

Viel mehr: Wir wollen im Grunde alles. Romantische Beziehung. Totale Übereinstimmung. Dann aber auch: „Der Andere soll einem nicht nur gleichen, er soll auch ganz anders sein. Weil die Liebe verstanden wird als Vehikel. Sie ist so gedacht, das man mit der Hilfe des Anderen erst zu der Existenz kommt, die man anstrebt. Er soll uns helfen, uns selbst zu überschreiten - und nicht wie eine Figur ins Puppenhaus eines fertigen Lebens eingebaut werden."

Partner als Konsum

Kann man mit diesen Erwartungen überhaupt noch umgehen?

Geht eine Generation dazu über, sich gegenseitig nur noch zu konsumieren? match.com. elitepartner.de.

Autoren rufen das Ende der Treue aus oder preisen die diskrete Affäre. Catherine Hakim etwa, eine Londoner Soziologin, fordert langjährige Paare in ihrem Buch „New Rules“ regelrecht auf zum Seitensprung. Er erhalte Ehen. Wenn man nicht darüber rede.

Manche suchen inmitten dieses emotionalen Überforderungsdilemmas andere Alternativen: Polyamorie, die Liebe mit mindestens drei Partnern etwa. Mit Werten wie Ehrlichkeit, Offenheit und dem Einverständnis aller Beteiligten. Nicht wie 68, mehr die freie Liebe von 2013.

Daniel beispielsweise. Und Nina. Und die Frau, die gern Caroline genannt werden will. Von ihnen erzählt sonntaz-Reporterin Annabelle Seubert in der Titelgeschichte der neuen taz.am wochenende.

Und von Madeleine May, die in einer offenen Beziehung lebt und sagt: „Ich genieße die Vorzüge einer langen Partnerschaft mit Vertraut, Geborgenheit, Zusammengehörigkeit – und das Prickeln beim Kennenlernen eines anderen Mannes, die Magie der anfänglichen Leidenschaft.“

Seubert sprach mit Schriftstellern und Philosophen, die vom Aussterben der Liebe reden. Sie hat sich mit Eifersüchten beschäftigt und mit alternativen Beziehungsmodellen.

Verlernen wir treu zu sein? Oder sind wir nur anders treu? Müssten mehr Pärchenromantiker mal eine offene Beziehung probieren, eine polyamore? Wenn die große Liebe sonst ohnehin irgendwann zerbricht? Oder funktioniert das alles eh nicht?

Wir freuen uns über Ihre Meinung. Über Diskussionen oder Anekdoten. Hier auf taz.de.

Die Geschichte „Nur du, du und du“ lesen Sie am 20. April in der neuen taz.am wochenende.

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15 Kommentare

 / 
  • AD
    auch das noch

    IL_N_Y_A_PAS_D_AMORE_HEUREUX, louis aragon - beeinflußt unter anderem von gorki - verlorene menschen, interessante lektüre. die übersetzung der militärpolitischen abteilung(ostzone) von 1946 muß mensch aber mit einem effektiven manipulationsfilter lesen. lese gerade "störfall, nachrichten eines tages" von christa wolf . . .

  • MS
    Mr. Seltsam

    @ Katrin Arsch, das mit den 10 bis 15 Jahre jüngeren Männern im Film ist wohl eher umgekehrt, Männer haben im TV (und im echten Leben) meist die jüngeren Frauen.

  • UV
    Untreue Vergewaltiger

    "Nutten" retten Ehe!

     

    Da nur 1% der Prostituierten freiwillig arbeitet und 75% der Männer zu Prostituierten gehen, sind also 3 von 4 Männern Vergewaltiger.

    Dementsprechend geht's hier also um ein echtes Minderheitenproblem, bzw. um die Komplizenschaft der Partnerin in Treue zum Feind.

  • M
    Marie-France
  • AD
    auch das noch

    oh, wunderbare

     

     

    zauber

     

     

    blume

  • A
    Arne

    Es ist ein Fehler, die Liebe mit dem Kribbeln, dem Sex oder mit mit diesem ganzen Hormonkram zu verwechseln:

    Liebe ist ein soziales Konstrukt, ein Produkt unserer Gesellschaft, etwas dass wir produzieren und reproduzieren.

    Die Frage "Wie wollen wir Lieben." ist damit keine biologische sondern eine politische Frage.

     

    Ich freue mich, dass diese Frage in letzter Zeit zunehmend diskutiert wird. Für mich ist die Sache klar: Zur offenen Beziehung gibt es keine Alternative, alles andere würde bedeuten, sich selbst und seinen Partner / seine Partnerin (oder seine Partner) zu belügen.

     

     

    Was die Treue angeht möcht ich den sehr guten Kommentar von MaxX gerne unterschreiben! Der Begriff wird in der aktuellen Debatte leider häufig falsch verwendet indem er mehr oder weniger mit Monogaie gleichgesetzt wird.

  • KA
    Katrin Arsch

    Das Problem ist allerdings, daß das alles nur bis 35 gilt, ab 35 lernt man niemand mehr kennen und die Liebe muß schon sehr groß sein, um sich Menschen über 35 anzusehen ohne zu kotzen, ist also keine Liebe, sondern Selbstbetrug - weshalb im Fernsehen die Weiber immer 10,15 Jahre jüngere Macker haben. Dementsprechend sind die meisten ab 35 Single, bis zum Altersheim und da ist dann wieder alles möglich, weil egal.

  • 2
    2Minutenfick

    Diesen Konsum gab's bereits vor dem Internet, allerdings kommen jetzt noch all die feigen Luschen dazu, die sich nichts trauen und jetzt auf einmal das Maul aufreissen.

  • DD
    Die Detektive

    He Taz,

    ich find des nich kuhl.

    ich weiß nich genau was, aber is schon son krasses statement. voll so euere niveau, was, diggah?

    ja.

    liebe rockt schon so. peace und freih.

    Waldorf wär auch gut für dich.

    (war gut für mich)

  • H
    Hannahhh

    Unsinn über Liebe zu faseln, wie sie sein sollte, wer sie haben und wie er sie bitteschön leben sollte. Finden sich zwei, die sich lieben, werden sie ihre eigenen Regeln finden und an ihnen arbeiten. Solange bis die Liebe zerbricht oder bis sie merken, dass es tatsächlich DIE Liebe ist.

  • R
    ReVolte

    "Bedroht Online-Dating die Ehe, die Treue?"

     

    Wieso Bedrohung? Wieso diese Frage in einer linken (?) Zeitung. Wer einmal mit derselben pennt... Ehe als Hort reaktionärer, patriarchaler Unterdrückung. Schon vergessen die eigenen Parolen von damals? Linke Demenz? Oder einfach nur Boulevard?

  • FF
    Fischers Fritze

    Fromm hat das besser beschrieben.

    • @Fischers Fritze:

      in "die Kunst zu lieben".

       

      Er sprach von:

      -wahrer Liebe, die nur wenigen zuteil wird, weil dazu echte Empathie nötig ist.

       

      -romatischer Liebe, von der man süchtig werden kann und schnellen Partnerwechsel in Polyamorie verfällt.

       

      projizierte Liebe, weil man von narziss. Selbstsucht getrieben, seine "Geliebten" aussaugt, bis sie vertrocknet sind.

       

      In einer Leistungsgesellschaft muss eben Quantität bestimmend sein, und da passt Liebe Nr.1 nicht mehr rein, denn Altruismus ist heute leider zu einem Makel verkommen.

  • M
    MaxX

    Was ist überhaupt "Treue"?

     

    Im Wörterbuch steht dazu: Verlässlichkeit, Loyalität, jemandem, der treu ist, dem kann man vertrauen.

     

    Kann man also treu sein, wenn man wie "Daisy and her Boyfriends" mit mehreren Partnern glücklich wird?

     

    Natürlich - wenn man zu jedem dieser Partner ehrlich und verlässlich ist, wenn man sich gegenseitig vertraut und dieses Vertrauen auf Offenheit und Aufrichtigkeit zueinander baut.

     

    Wir müssen die Liebe nicht neu erfinden. Wir müssen uns nur von dem (historisch gesehen sehr neumodischen) "Idol der Romantischen Liebe", dem "Es kann nur Eine(n) geben" wieder trennen und die Liebe als das schönste Geschenk, das einem ein anderer Mensch machen kann, anzunehmen und nicht als Ergebnis einer "Eroberung" zu sehen (was dann natürlich einen Besitzanspruch erzeugt, den es gegen jeden potentiellen "Eindringling" zu verteidigen gilt).

     

    Wenn ich eine Frau liebe, dann möchte ich alles tun, dass diese Frau glücklich ist. Wie kann ich ihr da z.B. verbieten, auch einen anderen Mann liebenswert zu finden, wenn dieses Verbot sie doch unglücklich machen würde. Im Gegenteil, ich möchte an dieser Liebe mit teilhaben, mich mit ihr freuen. Und anders herum genau so.

    DAS ist in meinen Augen LIEBE,

    DAS ist TREUE,

    DAS ist VERTRAUEN. :)

  • E
    emil

    "Verlernen wir treu zu sein? Oder sind wir nur anders treu?"

     

    wieso gilt denn überhaupt als gesetzt, dass wir treu sind? wie wird das begründet?

    das sind doch bloss gesellschaftliche konventionen, die aber längst nicht mehr greifen. deswegen trennen sich leute auch nach der heirat. das wäre früher nicht möglich gewesen, weil die gesellschaftliche ächtung drohte. heute ist es egal. da wird einfach nochmal geheiratet. oder auch gar nicht. was meines erachtens auch am konsequentesten ist. dieses konstrukt, was nur gerichtlich aufgehoben werden kann, ist für kurze phasen des zusammenseins echt viel zu mühsam und wird den gegenwärtigen beziehungsrealitäten nicht gerecht.

    gleichwohl viele vermutlich heiraten und nicht daran denken, sich bald zu trennen - wäre ja auch schrecklich unromantisch. so ein bisschen rationalität würde den gefühlgebeutelten aber sicherlich gut tun. dann wird das erwachen vielleicht etwas nüchterner. aber irgendwie muss ja das erbe verprasst werden, also lieber mal öfter heiraten und schön raushauen, was da ist. die nächste hochzeit kommt bestimmt.