Das Ding, das kommt: Feinkörnige Zukunft
Feinkörniger, weicher, weißer Sand, so weit das Auge reicht. 15 Kilometer lang ist der Sandstrand auf der Nordseeinsel Spiekeroog. Aber der soll bald ausgerechnet nach Abu Dhabi geliefert werden? Dorthin, wo noch im vergangenen Jahr die Szenen auf dem Sandplaneten Jakku für den neuen Star-Wars-Film gedreht wurden, weil es in der Wüste Rub al-Khali eben überhaupt nichts anderes gibt als – Sand?
Das zumindest kündigen Schilder an, die ein weltweit operierendes Unternehmen namens „Trans Crystal“, Firmensitz: Abu Dhabi, am Spiekerooger Badestrand aufgestellt hat und die dort seit Tagen für Aufregung sorgen: Eine „Prospektion zur Erschließung einer Sandlagerstätte“, steht da, werde gerade durchgeführt.
Nachhaltig immerhin solle der Sand gefördert werden, um „wirtschaftliche, ökologische und touristische Aspekte miteinander in Einklang zu bringen“, erfährt man auf der Internetseite des Unternehmens, www.trans-crystal.com. Dass in Namibia die Sandvorkommen längst erschöpft seien, steht da auch. Und dass das Unternehmen dort nun Renaturierungsmaßnahmen vorbereite.
Wer aber auf „Mehr erfahren“ klickt, bekommt keine Infos über diese Projekte, sondern Hintergrundinformationen zum weltweiten Raubbau an der Ressource Sand. Denn hinter dem vermeintlichen Unternehmen steckt tatsächlich der Potsdamer Konzeptkünstler Marcus Große, der derzeit im Rahmen der „Spiekerooger Zeltplatz Residenz“ zum Thema „Reizklima“ arbeitet und die doppelte Bedeutung des Wortes – im Sinne von „gesellschaftliches Reizklima“ und im Sinne der klimatischen Bedeutung – kombiniert.
Große Auseinandersetzung mit dem Sand hat also einen ernsten Hintergrund: Tatsächlich verbraucht die Menschheit mehr Sand als Erdöl, vor allem in der Bau-, Metall- und Automobilindustrie. Aber Sand ist nicht gleich Sand, je nach mineralogischen Bestandteilen, Größe und Form der Sandkörner kann er für verschiedene Zwecke eingesetzt werden. Wenn in Bangladesch eine Textilfabrik einstürzt, dann hat das auch damit zu tun, dass sie mit dem falschen Sand gebaut wurde: zu feinkörnig und zu rund.
Deshalb sind gerade die boomenden Wüstenstaaten paradoxerweise besonders stark von Sandimporten abhängig, um ihren aktuellen Baubedarf zu decken. Die ökologischen und politischen Konsequenzen sind dabei noch gar nicht abzusehen. Nur so viel ist klar: Wenn sich am Umgang mit der Ressource Sand nicht bald etwas ändert, ist jedes zukünftige Wirtschaftswachstum ganz schnell versandet. MATT
Internet: spiekeroopia.tumblr.com
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