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Das Deutsche AtomforumAtomlobby wird 50

Das Deutsche Atomforum feiert Geburtstag. Geschenke erwarten die Atomlobbyisten aber erst nach der Bundestagswahl.

Proteste gegen die Wintertagung des Atomforums im Januar 2009 in Berlin. Bild: dpa

BERLIN taz | Noch kein einziger Reaktor war in Deutschland am Netz, als das Deutsche Atomforum vor 50 Jahren gegründet wurde. Heute sind es immerhin 17 Atomkraftwerke - man könnte erwarten, dass beim Lobbyverband der deutschen Atomindustrie zum Geburtstag die Korken knallen.

Doch wahrscheinlich werden die Atomfans damit noch bis zur Bundestagswahl warten, denn sowohl bei einem Sieg der CDU wie auch bei Fortführung der großen Koalition könnte es das ersehnte, milliardenschwere Geburtstagsgeschenk geben: Laufzeitverlängerungen für die Reaktoren.

Offiziell lautet der Geburtstagswunsch natürlich anders: Eine "noch sachlichere Diskussion über die Kernenergie" wünsche sich das Atomforum zum 50-jährigen Gründungsjubiläum, sagt Sprecher Maik Ressel. Auch der Atomverband selbst bemühe sich, ein "ausgewogenes, faktenorientiertes Bild von der Kernenergie" zu vermitteln. Die alltägliche Arbeit des Lobbyvereins aber sieht anders aus: Auf Veranstaltungen, in Publikationen und auf der Website werden immer wieder die Vorteile der Atomenergie beschworen. Das geht schon mal nach hinten los: In einer Werbekampagne für "Deutschlands ungeliebte Klimaschützer" wurden im Sommer 2007 Atomkraftwerke inmitten idyllischer Landschaftsaufnahmen gezeigt. Ein Werbefeldzug, ausgezeichnet mit dem "Worst EU Greenwash Award" für die "Bemühungen der Atomlobby, den Klimawandel für die Imagewerbung der Atomenergie zu instrumentalisieren".

Früher war das Argument noch die Versorgungssicherheit: Vor 16 Jahren hieß es in einer Pro-Atom-Anzeige der großen Energieversorger: "Regenerative Energien wie Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als 4 % unseres Strombedarfes decken." Peinlich: Im Jahr 2008 betrug der Anteil mehr als 15 Prozent. Selbst die aktuelle Internetkampagne "Zeit für Energieverantwortung" startete vor einem halben Jahr mit einem Schuss in den Ofen: Atomkraftgegner kaperten das atomforumseigene Meinungsbarometer - auf der Atomforum-Website sprach sich die Mehrheit gegen eine Laufzeitverlängerung aus.

Die Atomlobby reagierte prompt: Danach durfte gemutmaßt werden, warum in Deutschland "so emotional über Kernkraft diskutiert" wird. Atomkraftgegner können wählen zwischen Kommunikationsproblemen, Technik-Ängstlichkeit und "typisch deutsch".

Einen Meinungsumschwung haben die Kampagnen nicht gebracht. Die letzten Umfragen von Infratest belegen, dass die Mehrheit der Bundesbürger immer noch den Ausstieg bis 2020 möchte. Ob die neue Regierung der gleichen Meinung ist? Vielleicht funktioniert da die Lobbyarbeit besser.

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6 Kommentare

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  • MB
    M. Beczkowiak

    Das Deutsche Atomforum steht für eine Industrie, die schon vor 30 Jahren sehr zuverlässige Kraftwerke gebaut hat und mit dem neuen EPR zusammen mit Frankreich und den USA einen nochmals verbesserten Typ anbietet.

    Das scheint mir doch die bessere Wahl für hier und jetzt zu sein als das solch unausgegorene Vorschläge wie Solarzellen in der Wüste (deren Besitzer uns selbstverständlich gerne den Strom liefern würden?) oder gar völlig unausgereifte Verfahren.

    Herzlichen Glückwunsch, Atomforum! Bleibt dran.

  • BD
    bist Deppert

    Schon immer interessant, was die Lobbyisten beider Seiten: die bösen, bösen Energieversorger und die photovoltaikgeilen Weltretter so von sich geben.

     

    Leider sind die wirklich nachhaltigen Lösungen unserer Energie- und Ressourcenprobleme (offensichtlich)zu komplex um auf politischer Ebene diskutiert zu werden.

    Da müsste man schon ein bisschen mehr als schwarz - grün denken.

  • BG
    Bürger G.

    Herzlichen Glückwunsch Atomforum.... lasst Euch nicht unterkriegen!

  • PD
    Prof. Dr. J.

    To get rid of that nuke shit:

     

    Install offshore wave power systems - like SRI buoys or look at www.wavedragon.net - in at least 50000 km² of european sea areas, including parts of the baltic sea etc! In the medeterranean sea an parts of the atlantic combine them with solar energy panels!

     

    Also just put solar panels on at least 10% of all roof areas! (hot water and photovoltaic panels)

     

    Besides this, install at least 16 GW geothermal energy in Germany and do similar in every other european country! ("similar" means: 1 GW on every 22000 km²)

     

    Not least: Use deserts for solar power plants!

  • G
    gultimore

    Würde sich die Atomlobby freuen, wenn man der Laufzeitverlängerung nicht zustimmen würde, ihr aber den Neubau ohne irgendwelche Subventionen erlauben würde?

  • M
    Maiblume

    "Regenerative Energien wie Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als 4 % unseres Strombedarfes decken." meinten die ?:-)))

    und das im Jahre 1993! und wohlgemerkt: Es heißt in dem Satz: "... auch langfristig ...".

     

    Zum Vergleich: Schon 1977 machte ein Team um Prof. Thomas Johansson in einer Studie "Solar Sweden" deutlich, dass bis zum Jahr 2015 Schweden seine Energie zu 100% aus regenerativen Energien decken könnte - einen damals beginnenden Ausbau derselben natürlich vorausgesetzt, der allerdings von den Gegenkräften, zu denen auch die Atomlobby gehört, verhindert, bzw. extrem ausgebremst wurde. Ähnlich bekanntlich in Deutschland, so dass bis heute in Deutschland immer noch viel weniger als 10% der Gebäudedachflächen mit Solaranlagen ausgestattet sind, immer noch viel weniger als die mindstens möglichen 16 GW Geothermie installiert sind (die wir aber trotz Atomlobby etc. spätestens 2025 haben werden, auch wenn das quasi viel zu spät ist), noch kaum offshore Wellekraftwerke in den europäischen Meeren installiert sind (z. B. Bojen von SRI ) u.s.w.