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■ Das Dahinter
Der Trend ist unübersehbar, und er ist international: die Kunst greift in den Raum, verzahnt sich mit ihm, der Raum füllt sich und wird selbst zur Kunst. Was mit dem Begriff Inszenierung nur unzureichend beschrieben ist, hat mit blendendem Beiwerk oder flacher Ästhetisierung nichts gemein, wo sich doch diese Kunst erst in der räumlichen Situation konstituiert.
Koka Ramischwili hat zusammen mit seinen Künstlerfreund PLATZ eine solchermaßen »synthetische« Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt eingerichtet und zeigt dorch rund 20 seiner neuesten Arbeit, für die ihm als Materialien Keilrahem, der immger gleiche grüne Stoff und Reste aus dem Fotoatelier, auch so etwas Merkwürdiges wie zersägte Bücher dienten. Ramischwili setzt sein Mittel in reduktiver Spärlichkeit ein, so daß die Arbeiten einer auf den ersten Blick strengen Ästhetik zu folgen scheinen. Dahinter steht intellektuelles Kalkül, ein emanzipatorisches Konzept und der Wille, den Betrachter in die Kunstwerdung des Gegenstandes miteinzubeziehen.
PLATZ, der Österreicher, hat einen biographischen Artikel über den Georgier Ramischwili »Das Dahinterliegende« betitelt. »Das Dahinterliegende« - so könnte auch das Motto für diese Ausstellung lauten, denn Koka Ramischwili öffnet seine Werke buchstäblich; schneidet, reißt oder rollt die Leinwände und Stoffbahnen auf, um eben den Blick freizumachen auf das, was sich hinter den Dingen befindet. So wird das dann sichtbare Stück bloßer, weißer Wand zu einem mythsichen Ort, zu einem Feld, in dem die Verwandlung des Nichts einsetzt und sich zur Idee, zum Bildgedanken transformiert.
Und die Objekte entwickeln, hat mach sich erst einmal in sie eingesehen, trotz ihrer Spröde eine beachtliche Suggestionskraft. Wie die einrollbaren »Amigos« beispielsweise, oder »Morphium:: in einem engen, gangartigen Teil der Stellwandarchitektur hängt ein Keilrahmen , von dessen ihn ehedem ganz überspannender Leinwand jetzt nur noch ein schmaler Streifen am Gestell hängt. Der Rest der bandartig ausgerissenen Bespannung fließt erst in einen Schriftzug und fällt dann in einen unachtsam am Rande liegenden Haufen. Hier ist die entstandene weiße Fläche weniger abstrakt enthüllend, sondern eher inhaltlich konkret zu leses — als das, was demhenigen droht, der sich der Droge verschreibt. Deren Name hängt dürr und lappig daneben und stellt die fatale Verbindung her zwischen dem früher ganz bespannten Rahmen und dem traurigen Häuflein am Boden.
Seine Mittel führen Ramischwili jedoch nicht in eine Beliebigkeit der Form, vielmehr schafft er es, durch geringfügig veränderte Nuancen oder auch nur durch ein anderes räumliches Umfeld aus den Formwiederholungen neue Inhalte und Assoziationsketten hervorzubringen. Die Installation »Berlin- Raum« erinnert zunächst verdächtig an »Morphium«. Und doch ist hier alles anders. Frontal gesehen und selbstbewußt in großer Geste auftretend nimmt die Form nun den Charakter von Enthüllen, von Demaskierung um der Wahrhaftigkeit willen an, und der davorliegende Haufen befindet sich frech in der Mitte des Raumes, bedeutet hier nich kaputtes Ende, sondern ungeordnetes, in freieren Bahnen laufendes Leben, das sichtbar wird, rollt man erst einmal die Oberfläche weg.
Bis 30.6. im Haus der Kulturen der Wel, Di-Fr 14-20, Sa/So 10-12 Uhr. Ulrich Clewing
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