: Das Bullengesicht als witternder Witwer
■ Kein Leiche zuviel: „Verratene Freundschaft“, 20.15 Uhr, Sat.1
Irgendwie beruhigend, wenn der Wahnsinn Methode hat. Denn wer will sich schon damit begnügen, daß die vielen dahingeschlachteten Fernsehtoten einfach nur so gestorben sind?
In dem Sat.1-Thriller „Verratene Freundschaft“ erfahren wir gleich zu Beginn, wer die sorgsam geplanten Morde ausgeführt hat. Nur: Nach welcher Logik werden die Opfer ausgwählt? Was genau treibt den abgebrühten BKA-Beamten Ulf Danner dazu, seinen Dienst zu quittieren, um zum Massenmörder zu werden?
Klaus J. Behrend ist ein uns längst vertrautes Bullengesicht. Er debütierte 1992 als schnöseliger Assistent des Düsseldorfer „Tatort“-Kommissars Flemming, wechselte dann mit der Figur des Expolizisten und Privatschnüfflers Alexander Stein („A. S.“) zu Sat.1, nur um schließlich 1997 – nun zum Hauptkommissar befördert – in seiner alten Rolle als Max Ballauf zum „Tatort“ zurückzukehren. Genaugenommen kann man sich gar nicht erinnern, ihn einmal nicht als emotionsgeladenen Ermittler gesehen zu haben. Nun also soll er uns zeigen, wie man vom staatstreuen Freund und Helfer zum eiskalten Killer mutiert.
Und er zeigt es uns. Wie jeder ordentliche Wahnsinn fängt alles ganz harmlos an: Die schwangere Gattin des versierten BKA-Beamten Donner verunglückt bei einem Unfall tödlich. Aus verständlichen Gründen mag sich der Witwer mit dem Verlust nicht abfinden. Seine professionelle Deformation läßt ihn ein Gewaltverbrechen wittern, wo der Pathologe nur ein Unglück diagnostizieren mag. Weil seine BKA-Kollegen diese unkonventionelle Trauerarbeit nicht noch mit Recherchen befördern mögen, macht sich Danner auf eigene Rechnung daran, den Tod seiner Frau zu ahnden.
Daß ausgerechnet Danners Expartner und Freund beauftragt wird, die Blutrache aufzuklären, gehört zu den Standardvariationen des Thriller-Genres, läßt sich doch so wunderbar eine Hatz auf hohem Niveau motivieren: Jäger und Gejager sind sich durchaus ebenbürtig. Tim Bergmann übernimmt als Ermittler Tony Tremp in diesem Setting den Part, den üblicherweise Klaus Behrend innehat: Er ist der instinktsichere Heißsporn, der bei der Verbrecherjagd von seinen Idealen angetrieben wird und einfach nicht glauben will, daß die Welt so schlecht ist, wie sie ist.
Diese Rochade der Typen bekommt dem Film gut. Denn die Spannung der Handlung beruht auschließlich darauf, daß der Zuschauer wissen will, warum – um Himmels willen! – Danner das alles nur tut. Um dieses Interesse über zwei Stunden wachzuhalten, muß uns Behrends Figur zugleich fremd wie vertraut sein. Keinesfalls dürfen wir ihn einfach für verrückt erklären.
Trotz aller pyrotechnischen Effekte, mit denen Kaspar Heidelbach den Thriller zeitgemäß ausgestattet hat, bleibt das Buch von Ulrike Stephan im Kern ein wohltuend altmodisches Psychodrama: Nicht mal ein Auto fliegt grundlos in die Luft. Klaudia Brunst
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