Das Buch zum Filmemacher Siggi Götz: Pragmatismus im Badehaus
In „Alpenglühn 2011 – Ein Dialog zum deutschen Erotikkino“ führt Ulrich Mannes ein imaginäres Gespräch mit dem Regisseur Siggi Götz. Prost.
Man muss den Namen Siggi Götz nicht kennen. Einen Film von ihm hat garantiert jeder schon gesehen. Götz gehörte zu den produktivsten und kommerziell erfolgreichsten Kräften im bundesdeutschen Kino der siebziger und achtziger Jahre.
Zusammen mit Franz Marischka, Alois Brummer und Franz Josef Gottlieb formierte er eine Art Gegenkanon zum Neuen Deutschen Autorenfilm, der noch dem Anspruch anhing, das Kino auf seinen Wirklichkeitsgehalt hin zu untersuchen – und bald ein eklatantes Missverhältnis (beziehungsweise Missverständnis) aufdeckte.
Denn die bundesrepublikanische Wirklichkeit jener Jahre spiegelte sich, gemessen an den Einspielergebnissen, in den Filmen von Götz und Konsorten wider. Doch wer war dieser Siggi Götz, der als Hausregisseur der österreichischen Produktionsfirma Lisa Film mit Titeln wie „Alpenglühn im Dirndlrock“, „Bohr weiter, Kumpel“ und „Was treibt die Maus im Badehaus“ die bleiernste Zeit des Kinos bereicherte und noch Siebziger-Jahre-Klamotten (mit Thomas Gottschalk/Mike Krüger) drehte, als die Achtziger fast schon wieder vorbei waren?
Ulrich Mannes ist der Frage mit einer Gewissenhaftigkeit nachgegangen, wie sie nur ein Trashfilm-Aficionado aufbringt. Das Ergebnis seiner Spurensuche ist ein schmales Bändchen mit dem Titel „Alpenglühn 2011 – Ein Dialog zum deutschen Erotikkino“, dessen Tonfall zwischen ehrlicher Anteilnahme und amüsiertem Ekel schwankt. Dass Götz bis heute unter seinem bürgerlichen Namen Sigi Rothemund fürs Fernsehen arbeitet, ist längst kein Geheimnis mehr.
Gewissenhafter Aficionado
Rothemund selbst hat sich zu seiner ersten Filmkarriere, die von einem heldenhaft stoischen Pragmatismus geprägt war (sein Pseudonym war an Götz von Berlichingen angelehnt; für seine Götz-Filme, so Rothemund, könnten ihn alle mal am Arsch lecken), nie äußern wollen. Er hätte, gestand er einem Journalisten einmal, ja viel lieber Filme wie Melville oder Chabrol gedreht.
Nur reichten dafür seine Talente nicht, wie die einzige Produktion jener Jahre, die unter seinem Klarnamen ins Kino kam („Es war nicht die Nachtigall“, 1974), erwies. Also versuchte er sich zum Ausklang der siebziger Jahre erfolgreich an Softsex-, Musik- und Reisefilmen wie „Griechische Feigen“ oder „Summernight Fever“.
Viel lustiger als die Filme sind ohnehin die Anekdoten, die Mannes in seiner jahrelangen Fan-Obsession zusammengetragen hat. Wie die Tatsache, dass „Griechische Feigen“-Star Betty Vergès in der damaligen UdSSR mit den Götz-Filmen Kultstatus erlangte. Unterhaltsam sind auch die unermüdlichen Verrisse im „Lexikon des Internationalen Films“.
Mannes hat die einzig angemessene Textform für seine Beschäftigung mit Siggi Götz gewählt: ein imaginäres Gespräch bei ein paar Bierchen. Ohne Bier sind die Filme von Siggi Götz nur schwer erträglich.
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