Das Buch Bayern: Bayern stiften Frieden
■ Edle Gäste aus München gewinnen in Mannheim 3:0 für die Stadiongegner
Mannheim-Ost (taz) – Es ist ein Dauerthema seit dem Aufstieg des SV Waldhof in die Bundesliga: Mannheim und sein Stadion. Seit 1983 verbrachten die Blau-Schwarzen sechs Jahre im pfälzischen Exil, in Ludwigshafen. Nach einem kurzen Intermezzo im alten Waldhofstadion und dem Abstieg 1990 folgte drei Jahre später das immer noch andauernde Gastspiel des einst proletarischen Klubs und heute ungeliebten Gastes: im originären Einzugsgebiet des großbürgerlichen Rivalen VfR zwischen den Edelstadtteilen Oststadt und Neuostheim. Dort, wo die Reichen Mannheims residieren. Wo man sich lange und unbeirrt gegen die Arena wehrte. Und wo man sogar per Verwaltungsgericht weitreichende Einschränkungen bei der Nutzung des Carl-Benz-Stadions erreichte.
Als der SV Waldhof 1997 in die Regionalliga Süd abrutschte, schien das Thema mangels Zuschauerinteresse vom Tisch. Doch der schnelle Wiederaufstieg 1999 und lukrative Pokalgegner wie erst Bayer Leverkusen und jetzt auch noch Bayern München riefen die Stadionfeinde wieder auf ihren Kriegsplan: Das Abendspiel gegen den Deutschen Meister hätten die FußballhasserInnen am liebsten verhindert. Nun überweist der Club den beiden Kirchengemeinden Neuostheims 50.000 Mark als Entgegenkommen für karitative Projekte, sofern es solche in dieser Gegend überhaupt gibt.
Da nahm es kaum Wunder, dass so mancher Mannheimer Offizielle mit gemischten Gefühlen der eigenen Mannschaft die Daumen drückte. Ein Sieg gegen die Bayern und ein womöglich weiteres Heimspiel am Abend des 21. oder 22. Dezember hätte die hochsensible Beziehung zwischen Kickern und Bewohnern erneut auf die Probe gestellt. Und das so kurz vor dem Fest der Liebe.
Der SV Waldhof hat in der eigenen Stadt keine Lobby, trotz aller Beteuerungen der Stadtoberen. Und der Verein hat außer vielen selbst verschuldeten auch ein äußeres Handicap: Mannheim ist keine Fußballstadt. In der 2. Bundesliga sind selten mal 10.000 Zuschauer zur Stelle, und das in einem Ballungsraum von über einer Million Einwohnern. Neidisch blicken sie da zu den Mitaufsteigern nach Offenbach und Aachen, wo die Zuschauer den Fußball zelebrieren.
Dabei hat Trainer Uwe Rapolder, 1997 als Nothelfer geholt und doch erst mal abgestiegen, seither aus insgesamt 62 Profis in drei Jahren eine Mannschaft zusammengestellt, die das alte Klischee vom Waldhöfer Klopper wie noch zu Schlappners Zeiten abgelegt hat. Waldhof spielt heute mit Viererkette und hat im Ungarn Otto Vincze einen technisch begeisternden Spielgestalter.
DFB-Pokal Achtelfinale:
Kickers - Bielefeld 3:2 n.V.
Mannheim - Bayern 0:3
Bremen - SSV Ulm 2:1
Bochum - Wolfsburg 5:4
Freiburg - Cottbus 2:0
Eintr. Trier - Rostock 0:4
VfB Stutt. - Köln 4:0
Mainz - Hertha 2:1 n.V.
Viertelfinale (21./22. Dez.):
Stuttg. Kickers - Freiburg
Bayern München - Mainz 05
Bochum - Werder Bremen
Rostock - VfB Stuttgart
Die 27.000 im Stadion waren denn auch gespannt, ob dem 3:2 gegen Leverkusen nun ein weiterer Überraschungssieg folgen würde. Doch die Bayern, von früheren Pokalausflügen in die Kurpfalz gewarnt – 1990 unterlagen sie beim Oberligisten FV 09 Weinheim mit 0:1 –, spulten ihr Pensum ab, taten nicht mehr, als sie tun mussten, und zu wenig, um beim eigenen Anhang für Wiedergutmachung zu sorgen. Beschimpfungen wie „Ihr Söldner“ und „Millionarios“ standen auf den Transparenten der Fans, die noch sauer waren vom 0:1 gegen 1860. Zum Dank zogen Effenberg & Co. nach dem letztlich lockeren 3:0-Sieg grußlos von dannen. Lediglich Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic statteten dem Fanblock einen Kurzbesuch ab.
Ähnlich leidenschaftslos und arrogant hatten die Bayern fast das ganze Spiel über agiert. Waldhof hatte einige gute Gelegenheiten durch Werner Protzel und Vincze, aber es trafen die Bayern durch Jeremies per Fernschuss, Zickler per Kopf und Salihamidzic per Elfmeter, und es war klargestellt, wo oben und unten ist.
Dem SV Waldhof und der Stadtverwaltung bleibt nun jede Menge Ärger erspart. Andere Sorgen bleiben: In der 2. Liga stehen sie auf dem 15. Platz, einem Abstiegsrang, während Ortsrivale VfR Platz 2 in der Regionalliga belegt, Aufstieg nicht ausgeschlossen.
Günter Rohrbacher-List
Bundesliga-Nachholspiel:
U'haching - Dortmund 1:0
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