Das Blut der Unterdrückung

Die weibliche Periode wird tabuisiert, Frauen für unrein und minderwertig erklärt. Zum Tag der Menstruations­hygiene sprechen vier Frauen, die sich wehren

Illustration: Smishdesigns/Youth Ki Awaaz

Von Patricia Hecht

„Hat eine Frau Blutfluss und ist solches Blut an ihrem Körper, soll sie sieben Tage lang in der Unreinheit ihrer Regel verbleiben. Wer sie berührt, ist unrein bis zum Abend. Alles, worauf sie sich in diesem Zustand legt, ist unrein; alles, worauf sie sich setzt, ist unrein.“

Levitikus 15, Vers 19

Der unreine Blutfluss, um den es geht, ist die weibliche Menstruation. Im Judentum war die mens­truie­rende Frau lange von allen ri­tuel­len Handlungen ausgeschlossen, im Christentum galt die Menstruation Mönchen als Strafe für Evas Sündenfall. Ausgenommen davon war nur die Mutter Gottes: Die nämlich, so Theologen, habe unbefleckt empfangen und ohnehin nie menstruiert.

Mit der Be- und Verurteilung von Menstruation, mit deren magischen Kräften und Unreinheit beschäftigten sich jahrtausendelang vor allem Männer. Aristoteles sah in ihr einen Beweis für die weibliche Minderwertigkeit: Frauen seien nicht wie Männer imstande, Blut in Sperma zu verwandeln und müssten es deshalb monatlich ausscheiden. Plinius der Ältere beschrieb, dass in der Nähe menstruierender Frauen der Wein verderbe, Bienen stürben und Saatgut unfruchtbar würde. Und Paracelsus stilisierte die Blutung gar zur Bedrohung der Menschheit: „Es gibt kein Gift in der Welt, das schädlicher ist als das menstruum.“ Um das Jahr 1520 beschrieb er die Existenz des „Menotoxin“. Die Auffassung, dieses finde sich in Blut und Schweiß menstruierender Frauen und lasse etwa Blumen welken, wurde noch bis weit ins 20. Jahrhundert diskutiert.

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Aber jetzt zu den Fakten: Während des etwa vierwöchigen Zyklus einer Frau bereitet sich die Gebärmutter auf eine mögliche Schwangerschaft vor. Kommt es zu keiner, setzt die Menstruation ein. Neben der Gebärmutterschleimhaut werden Blut, Wasser und Vaginalsekret ausgeschieden. Rund fünf Tage im Monat und sieben Jahre ihres Lebens verbringt eine Frau im Schnitt menstruierend. Währenddessen haben mehr als 10 Prozent aller Frauen so starke Beschwerden, dass sie ihrer Ausbildung oder ihrem Beruf nicht nachgehen können.

Um die Bedürfnisse von Frauen geht es dabei noch nicht allzu lange. Zwar kennen schon nahezu alle alten Kulturen Hilfsmittel, um das Blut aufzusaugen, darunter Binden aus Bast, Gras oder Leinen. In Deutschland kam 1894 die erste kommerzielle Wegwerfbinde auf den Markt, 1947 wurde der erste Tampon für den hiesigen Markt patentiert: der o.b., ohne Binde. Doch in der Werbung blieb die Flüssigkeit, die die Saugfähigkeit von Tampons und Binden beweisen sollte, lange Zeit unverfänglich blau. „Sauber und diskret“ sollte die Menstruation vor allem sein, erst seit Ende des 20. Jahrhunderts wird sie hierzulande nach und nach vom Tabu befreit.

Proteste führten etwa 2020 dazu, dass Tampons und Binden nicht mehr mit dem Luxussteuersatz von 19, sondern mit 7 Prozent besteuert werden. Die Kosten können trotzdem zum Problem werden: Hartz-IV-Bezieher:innen etwa bleiben nur 16 Euro im Monat, um neben Zahnpasta, Shampoo und Medikamenten auch Tampons zu bezahlen.

„Es gibt kein Gift in der Welt, das schädlicher ist als das menstruum“

Der Schweizer Arzt und Alchemist Theophrastus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus, im 16. Jahrhundert

Global ranken sich je nach Kultur noch immer viele Mythen um die Menstruation. Und noch immer werden Frauen während ihrer Blutung mancherorts von bestimmten Tätigkeiten ausgeschlossen. Zwar feiern einige Kulturen die erste Menstruation als Fest, das auch mit einem positiven Zugang zum weiblichen Körper zu tun haben kann. Weit häufiger jedoch haben Frauen damit zu tun, das Stigma abzubauen, das für die Hälfte der Menschheit mit ihrer Blutung verknüpft ist.

Bisweilen wird das Problem dadurch verstärkt, dass es keine geeigneten Produkte gibt, um die Blutung aufzufangen, oder diese nicht bezahlbar sind, weshalb Mädchen und Frauen auch weiter nicht zu Schule gehen oder an anderen Bereichen des sozialen Lebens teilnehmen können. Auch der Zugang zu ausreichend sauberem Wasser etwa in schulischen Einrichtungen ist längst nicht überall gegeben. Und schließlich haben viele Familien im vergangenen Jahr ihr Einkommen durch die Pandemie verloren, so dass sie sich Hygiene­produkte kaum leisten können.

Zum Weltmenstruationstag, der 2014 von Frauenrechtsinitiativen ins Leben gerufen wurde, warnt die Hilfsorganisation Care davor, dass die Zahl der aktuell etwa 500 Millionen Mädchen und Frauen, die ohne Hygieneprodukte auskommen müssen, weiter zu steigen droht. In Äthiopien und Kenia etwa seien bis zu 70 Prozent der Frauen und Mädchen gezwungen, ohne ausreichend sauberes Wasser, Hygieneprodukte oder medizinische Versorgung zurechtzukommen.Care fordert die internationale Gemeinschaft auf, Menstruations­hy­giene in alle humanitären Hilfspläne aufzunehmen, genügend Geld dafür bereitzustellen und die politische Teilhabe von Frauen an diesen Entscheidungen zu gewährleisten.